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freuten sich viele über das Ergebnis des französischen Referendums zum
europäischen Verfassungsvertrag. Pardon? Wunderten sich andere: Wollen
wir etwa keine rechtsverbindliche Grundrechtecharta, keine deutlich erweiterten
Mitbestimmungsrechte des europäischen Parlaments und auch kein Fortschreiten
der Integration, die begriffsimmanent immer auch eine Überwindung von
Nationalismus und Faschismus bedeutet?
Nee! Sagen diejenigen, die den Verfassungsvertrag mit guten Argumenten
als "neoliberale Militärverfassung" bezeichnen. In Artikel
I-41 Abs. 3 verpflichten sich die Mitgliedsstaaten, ihre militärischen
Fähigkeiten schrittweise zu verbessern. Hiermit werde ausdrücklich
die Zielsetzung, auf globaler Ebene Kriege führen zu können,
festgeschrieben. Gerade im Bereich der Außen und Sicherheitspolitik
erhält das Parlament keine Mitentscheidungsrechte.
Mit dem "Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb"
werde der Vorrang von Wirtschaftspolitik gegenüber Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik
weiter gefestigt. Mögliche beschäftigungswirksame Maßnahmen wie z. B.
die Harmonisierung der Unternehmenssteuern werden nicht getroffen. Der
Verfassungsvertrag berge also lediglich das Potential zur Überwindung
der noch in den Mitgliedsstaaten bestehenden sozialen Standards, und demokratischer
Legitimation sowie der pazifistischen Elemente des europäischen Gedankens.
Aber, was habt ihr jetzt davon, könnte man fragen. Dann wird der europäische
Markt eben auf Grundlage der Verträge von Nizza weiter ausgebaut, und
auch für eine zunehmende Militarisierung braucht man keinen Vertrag, auf
dem "Verfassung" steht. Dann gibt es halt keine ausgehöhlten sozialen
Grundrechte, sondern gar keine. Und lehrt uns die Geschichte der EU nicht
sowieso, dass viele Schweinereien zur Not auch ohne rechtliche Grundlage
verwirklicht werden?
Ist die Ablehnung also nicht eher ein symbolischer Sieg? Wen oder was
repräsentieren die Nein-Stimmen, Ausdruck von Kritik auch an spezifischen
Problemen auf der nationaler Ebene (in Deutschland wird die SPD abgewählt,
in Frankreich eben die Verfassung und damit eigentlich auch Chirac ( und
keine/r denkt darüber nach, was dann stattdessen kommt), getragen von
einer eher diffusen Angst vor dem "bürokratischen Wasserkopf", "Globalisierung"
und polnischen Klempnern?
Oder birgt die Protestbewegung auch ein emanzipatives, konstruktives und
kapitalismuskritisches Potential und damit Ansätze zur Verwirklichung
eines pazifistischen, feministischen und sozialen Europas? Als ersten
Schritt auf dem langen Weg dahin sollte man die Ergebnisse der Referenden
und folgenden Diskussionen ( schon aus Zweckoptimismus ( vielleicht deuten.
Maike Hellmig, Köln
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