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Der Begriff "Asyl" findet seinen Ursprung im griechischen Wort "asylon"
und bedeutet Zufluchtsstätte. Die Erfahrungen während des Nationalsozialismus,
Ursache zahlreiche Schutzgesuche außerhalb der deutschen Diktatur, haben
in diesem Zusammenhang zu einem besonders hohen Anspruch geführt und ihre
Spuren im Grundgesetz hinterlassen - während andere Staaten sich auf einfach-gesetzlichen
Schutz und die Unterzeichnung völkerrechtlicher Abkommen beschränkten,
ist Deutschland das einzige Land der EU mit einem Grundrecht auf Asyl.
Seitdem sind in Deutschland ungefähr 200.000 Menschen als Asylberechtigte
anerkannt worden. Trotz dieser verschwindend geringen Zahl im Laufe von
über 50 Jahren beherrscht das Thema Asyl insbesondere seit den achtziger
Jahren die Wahlkämpfe, was nicht zuletzt mit der im Zusammenhang mit dem
Fall des Eisernen Vorhangs exorbitant gestiegenen Zahl von AntragstellerInnen
zusammenhängt. Waren es 1983 noch weniger als 20.000 AntragstellerInnen,
stieg diese Zahl 1991 auf über 250.000, 1992 lag sie gar bei 438.191 Personen,
während selten mehr als 5 % dieser Anträge genehmigt wurden, im Jahr 2005
Lag die Anerkennungsquote bei 0,9 %. Mittlerweile lässt sich von einer
"negativen Anerkennungsquote" sprechen, da die Zahl der Widerrufe die
Zahl der Anerkennungen übersteigt.
Da AntragstellerInnen gleichfalls ein vorläufiges Bleiberecht haben, wurde
versucht, das Verfahren und den Rechtsschutz zu verkürzen. Höhepunkt der
Entwicklung war der sogenannte Asylkompromiss mit der Einführung der sogenannten
Drittstaatenregelung. Daneben hat die Rechtssprechung nicht davor zurückgeschreckt,
durch formaljuristische Kategorien das Grundrecht auf Asyl einzuschränken.
Zweierlei Flüchtlingsschutz
Das materielle Asylrecht lässt sich in zwei Ebenen einteilen: Zum einen
der verfassungsrechtliche Schutz durch das "Grundrecht auf Asyl" aus Art.
16a GG, und zum anderen dem einfachrechtlichen Flüchtlingsschutz aus §
60 Abs. 1 AufenthG. Seit dem Zuwanderungsgesetz sind beide Ebenen in der
Rechtsfolge gleichgestellt. sie gewähren einen Anspruch auf Erteilung
einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG.
Daneben besteht subsidiärer Schutz durch Abschiebungshindernisse nach
§ 60 Abs. 2, 3, 5 und 7.
Trotz der geringeren Bedeutung1 ist das Grundrecht auf Asyl aus Art. 16a
GG die wichtigste Bestimmung im materiellen Asylrecht, da sie Maßstäbe
für die Auslegung des gesamten materiellen Asylrechts setzt. Auch völker-
und europarechtliche Grundsätze wirken auf die Auslegung ein. Insbesondere
der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention
(EMRK) kommt eine gewisse Bedeutung zu.
Das subjektive Recht auf Asyl, welches politisch Verfolgten zusteht, wird
nur soweit gewährt, als dass (1.) kein Schutz in einem sicheren Drittstaat
besteht, (2.) eine "gezielte Verfolgung" bejaht wird, (3.) diese Verfolgung
vom Antragsteller/von der Antragstellerin glaubhaft gemacht, also der
Nachweis der Verfolgung erbracht wird und schließlich (4.) eine Verfolgungsprognose
die zukünftige Gefährdung des Flüchtlings bejaht wird.
Die Berufung auf das Grundrecht auf Asyl ist gem. Art. 16a Abs. 2 GG,
§ 26a AsylVfG ausgeschlossen, wenn die Einreise aus einem sicheren Drittstaat
erfolgt. Neben den EU- Mitgliedstaaten gibt es noch eine weitere Gruppe
sicherer Drittstaaten, die mit Zustimmung des Bundesrates in Anlage I
zum AsylVfG bestimmt werden - dies sind gegenwärtig die Schweiz und Norwegen.
Ist die Rückkehr in den sicheren Drittstaat nicht möglich, so wird geprüft,
ob dem Flüchtling einfachrechtlicher Schutz nach dem AufenthG (s.u.) gewährt
werden kann, bevor der Flüchtling gegebenenfalls in den Herkunftsstaat
abgeschoben wird. Von geringer praktischer Relevanz sind die Ausnahmen
für die Anwendung der Drittstaatenregelung, welche sich in § 26a Abs.
1 S. 3 AsylVfG finden. Eine Ausnahme besteht etwa nach § 26a Abs. 1 S.
3 Nr. 1, wenn der Flüchtling im Zeitpunkt der Einreise in den sicheren
Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die BRD war.
Über die grundgesetzliche Drittstaatenregelung hinaus, wird dem Flüchtling
die Einreise verweigert, wenn er gem. § 27 AsylVfG aus einem "sonstigen
Drittstaat" einreist, in dem er vor Verfolgung sicher war. Dies ist dann
der Fall, wenn sich der Flüchtling mehr als drei Monate einem Drittstaat
aufhielt, ohne dass er abgeschoben wurde, sowie in diesem Staat seine
physische Sicherheit sowie ein Existenzminimum gewährleistet war. Im Unterschied
zu den sicheren Drittstaaten gem. Art. 16 a Abs. 2 GG, § 26a AsylVfG ist
die Vermutung aus § 27 AsylVfG durch einen entsprechenden Gegenbeweis
widerlegbar.
Gezielte Verfolgung
Eine gezielte Verfolgung wird bejaht, wenn ein (1.) Eingriff in geschützte
Rechtsgüter von gewisser Intensität vorliegt; der Flüchtling muss (2.)
individuell betroffen sein; die Verfolgung muss (3.) landesweit drohen;
sie muss (4.) staatlich sein, (5.) politischen Charakter haben und die
Verfolgung (6.) für die Flucht ursächlich sein.
Geschützt sind prinzipiell alle Individualrechtsgüter. Von gewisser Intensität
ist ein Eingriff, wenn er dem Betroffenen gezielt Rechtsverletzungen zufügt
und über das allgemeine Eingriffsniveau hinausgeht. Eine gezielte Rechtsverletzung
fehlt bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in
seinem Heimatstaat zu erleiden hat, wie Hunger, Naturkatastrophen, aber
auch bei allgemeinen Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen.
In ausreichendem Maße intensiv ist die Verfolgung regelmäßig bei Eingriffen
in Leib, Leben oder Freiheit. Bei der Verletzung anderer Rechtsgüter muss
der Eingriff über "..das hinausgehen, was die Bewohner des Heimatstaats
aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben."2.
Ein Eingriff in die Religionsfreiheit etwa erreicht erst dann eine hinreichende
Intensität, wenn das "religiöse Existenzminimum", also der "unverzichtbare
Kern der Privatsphäre des glaubenden Menschen (...)"3 verletzt ist.
Der Flüchtling muss von der Verfolgung selbst betroffen sein. Die Zugehörigkeit
zu einer verfolgten Gruppe reicht nur dann aus, wenn das die Gruppe ausmachende
Merkmal genau definiert ist und die Verfolgung derart massiv ist, dass
jedes einzelne Gruppenmitglied gefährdet ist. Je größer die Gruppe ist,
desto mehr Mitglieder müssen akut bedroht sein. So wurde z.B. bei Kosovo-AlbanerInnen
in Serbien eine Gruppenverfolgung vom BVerwG verneint, weil die zwar sehr
hohe Zahl der festgestellten Verfolgungen bei einer Bevölkerungszahl von
1,8 Millionen nicht ausreichte4.
Die Verfolgung muss im gesamten Staatsgebiet drohen. Verneint wird dies
bei einer sog. inländischen Fluchtalternative, soweit mit ihr keine Gefahr
für existenzielle Rechte (Leib und Leben) verbunden ist. Ein Tschetschene
beispielsweise sollte zunächst nach Moskau fliehen. Ähnliches gilt für
Christen, die vom Nord- in den Südsudan flüchten können oder Kurden, die
in die Westtürkei fliehen können. Die Gefahr für die existenziellen Rechte
ist unbeachtlich, wenn sie zum allgemeinen Standard im Herkunftsland zählt.
Um zu verdeutlichen, welche Zustände erst unter eine existenziell bedrohliche
Lage fallen, sei auf das "Kalorienurteil" des OVG Magdeburg verwiesen.
Das Gericht hatte abweichend von einem in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten
festgestellt, dass eine, das Existenzminimum sichernde Grundlage für Flüchtlinge
in einem UNHCR Flüchtlingslager im Nordirak mit täglich 2229 Kcal. gewährleistet
sei. Das sind laut UNHCR lediglich 90 bzw. 84 % des Tagesbedarfes eines
Menschen.5 Das Urteil wurde vom BVerwG aufgehoben.
Eine Besonderheit ist, dass die Fluchtalternative im Zeitpunkt der Flucht
bestanden haben muss und nicht im Zeitpunkt der Antragstellung. Wenn also
die Fluchtalternative in der Zwischenzeit weggefallen ist, geht dies zu
Lasten des Flüchtlings.
Staatliche Verfolgung
Um grundrechtlichen Schutz vor Verfolgung zu genießen, muss der Staat
Urheber der Verfolgung sein, im "Normalfall" durch Polizei, Militär und
Justiz. Eine Ausnahme bildet der sog. Amtswalterexzess, wenn ein einzelner
seine Befugnisse stark überdehnt. Folter wird dem Staat demnach nur zugerechnet,
wenn systematisch gefoltert wird, nicht, wenn nur gelegentlich eine Folterung
stattfindet. Mittelbare staatliche Verfolgung wird ausnahmsweise als ausreichend
angesehen, beispielsweise bei Paramilitärs, die mit Wissen und Billigung
des Staates handeln oder Regierungsparteien, die nicht trennscharf von
der Staatsgewalt sind unterscheiden sind. Problematisch ist das Merkmal
der Staatlichkeit der Verfolgung insbesondere bei zerfallenden Staaten
ohne eine explizite staatliche Macht, wie etwa Somalia.
Das Kriterium der staatlichen Verfolgung wurde von der Rechtsprechung
als Reaktion auf die zeitweise hohe Zahl tamilischer Flüchtlinge aus Sri
Lanka entwickelt. Faktisch wurden so ganze Flüchtlingsgruppen durch ein
einziges Kriterium von asylrechtlichem Schutz ausgeschlossen.
Nach verfassungsrechtlicher Rechtsprechung und in Anlehnung an die GFK
ist die Verfolgung politisch, wenn sie an verfügbare Merkmale, wie die
politische oder religiöse Überzeugung, oder an unverfügbare, für den Flüchtling
unveränderliche Merkmale - Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten
Gruppe6 - anknüpft, und ihn dadurch in einer Rechtsstellung trifft, die
ihn "aus einer übergeordneten Friedensordnung ausgrenzt"7.
Im Sonderfall des das politischen Strafrechts wird dies jedoch erst bejaht,
wenn ein besonderer "Politmalus" erkennbar ist: So begründet eine bestrafte
Kriegsdienstverweigerung eine politische Verfolgung erst, wenn der Betroffene,
welcher aus politischen Gründen verweigert, im Strafmaß gegenüber demjenigen,
der aus reiner Arbeitsscheu den Dienst ablehnt, krass benachteiligt wird.
Die Verfolgung muss Grund für die Flucht sein. Problematisch verhält sich
dies, wenn zwischen den Verfolgungshandlungen und der Flucht eine zeitliche
Zäsur liegt. In diesem Fall können sog. Nachfluchttatbestände - objektiver
oder subjektiver Natur - die Verfolgung begründen.
Objektive Nachfluchttatbestände, die grundsätzlich asylrelevant sind,
umfassen Vorgänge, die unabhängig von der Person des Flüchtlings entstehen,
wie z.B. ein Regimewechsel oder neue Strafgesetze. Subjektiven Nachfluchttatbestände
sind solche, die der Flüchtling nach seiner Ausreise selbst geschaffen
hat, etwa durch exilpolitische Aktivitäten, und finden nur in Ausnahmefällen
Berücksichtigung - so, wenn der Betroffene bereits im Herkunftsland politisch
aktiv war. Eine weitere denkbare Konstellation wäre eine sonst ausweglose
Lage in Gestalt einer latenten Gefährdung, wenn z.B. bereits Familienmitglieder
verhaftet wurden und die Gefahr der Sippenhaft besteht8. Eine Ausnahme
wird bei Minderjährigen gemacht. Einem Flüchtling, der im Zeitpunkt seiner
Flucht noch zu jung war, soll zugestanden werden, eine politische Überzeugung
erst im Zufluchtsstaat zu bilden.
Verfolgungsnachweise und Verfolgungsprognose
Die politische Verfolgung muss glaubhaft, also frei von Widersprüchen
und möglichst detailliert, dargestellt werden. Zwar gilt auch im Asylverfahren
der Amtsermittlungsgrundsatz. Tatsächlich besteht durch die hohen Anforderungen
eine faktische Beweislast des Flüchtlings. So gehen kleinste Unstimmigkeiten
im Vortrag des Flüchtlings zu dessen Lasten. Besonders problematisch ist
dies im Fall traumatisierter Flüchtlinge oder bei Verständigungsproblemen
durch Dolmetscher. Verständigungsprobleme fallen letzten Endes dem Flüchtling
zur Last.
Im Zeitpunkt der Entscheidung muss eine zukünftige Gefährdung des Flüchtlings
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben sein. Bei sogenannter Vorverfolgung,
d.h. wenn der Flüchtling im Zeitpunkt seiner Flucht Verfolgung erlitten
hatte oder eine solche ihm drohte gilt ein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab
in Form einer widerlegbaren Vermutung. Liegt keine Vorverfolgung vor,
z.B. bei Nachfluchttatbeständen, so dreht sich der Wahrscheinlichkeitsmaßstab
um und es spricht eine (schwer)widerlegbare Vermutung gegen die Verfolgungsgefahr.
Es muss in solchen Fällen mit "beachtlicher Wahrscheinlichkeit" Verfolgung
drohen, also "die für die Verfolgung sprechenden Umstände [...] überwiegen.
Dabei kommt es nicht auf eine rein quantitative Betrachtungsweise an.
So ist z.B. die Wahrscheinlichkeit der Folter oder Misshandlung bei Inhaftierung
dann erheblich, wenn sie häufig vorkommen oder gar an der Tagesordnung
sind."9.
Einfachrechtlicher Flüchtlingsschutz nach dem AufenthG
Mit dem Zuwanderungsgesetz wurden die Voraussetzungen und Rechtsfolgen
für einfachrechtlichen Flüchtlingsschutz verbessert. Es gelten die gleichen
Rechtsfolgen wie bei Art. 16a GG. § 60 Abs. 1 setzt voraus, dass das Leben
oder die Freiheit wegen der politischen Überzeugung, Religion, Rasse,
Staatsangehörigkeit oder der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe -
dazu zählt auch das Geschlecht - bedroht ist. Neu ist neben der Aufnahme
geschlechtsspezifischer Verfolgung, dass die Bedrohung, gem. § 60 Abs.
1 S. 4 AufenthG, nicht notwendigerweise staatlich sein muss. Nichtstaatliche
Verfolgung setzt aber voraus, dass der Herkunftsstaat oder internationale
Organisationen keinen Schutz gewähren. Der Flüchtling muss - wie bei Art.
16a GG - individuell betroffen sein, ebenfalls darf keine inländische
Fluchtalternative bestehen. Die Drittstaatenregelung gilt hier jedoch
nicht. Besteht kein Ausnahmetatbestand aus §§ 60 Abs. 8, 9 AufenthG, erhält
der Flüchtling eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG.
Wird dem Flüchtling kein Asyl nach Art. 16a GG oder § 60 Abs. 1 AufenthG
gewährt, so kann es sein, dass ein Abschiebehindernis vorliegt, welches
den Flüchtling subsidiär schützt.
Gem. Abs. 2 darf nicht abgeschoben werden, wenn im Zielstaat Folter droht.
Dabei wird auf die UN-Folterkonvention zurückgegriffen10. Es ist nicht
nur physische, sondern auch psychisch seelische Gewalt umfasst. Der Folter
unterfallen nur vorsätzliche Taten, die zielgerichtet (etwa zur Erzwingung
von Aussagen) von Amts wegen veranlasst werden. Nach Meinung des Bundesamtes
für Migration und Flüchtlinge (BAMF) muss die Folter das Zerbrechen des
Opfers bezwecken, sie muss konkret drohen und ein individueller Nachweis
ist erforderlich.11
Gem. Abs. 3 ist die Abschiebung verhindert, wenn dem Flüchtling im Heimatstaat
die Todesstrafe droht. Abs. 5 enthält ein Abschiebehindernis für Fälle,
in denen die Abschiebung gegen die EMRK verstoßen würde. Relevant sind
hierbei drohende Verstöße gegen Art. 2 und 3 EMRK. Gem. Art. 2 EMRK wird
dies bei lebensbedrohlichen Verhältnissen im Zielland angenommen, gem.
Art. 3 EMRK bei Verstößen gegen das Folterverbot. Dabei geht das Folterverbot
etwas weiter, als das Abschiebehindernis aus Abs. 2, da es auch unmenschliche
und erniedrigende Strafe12 umfasst.
Abs. 7 enthält einen Auffangtatbestand, der im Ermessen der Behörde ein
Abschiebehindernis bei der konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit
statuiert. Insbesondere bei Krankheit kommt Abs. 7 zur Anwendung, z.B.
wenn die Behandlung im Zielstaat nicht möglich erscheint. Aber auch andere
Fälle sind bereits unter den Tatbestand des Abs. 7 gefallen, so z.B. Blutrache,
Vergewaltigung durch Sicherheitskräfte, etc. Handelt es sich aber um allgemeine
Gefahren, die einer Bevölkerungsgruppe oder der Bevölkerung insgesamt
drohen, so wird ein Abschiebehindernis in der Regel verneint. In solchen
Fällen ist dann nur noch die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung
entsprechender Bevölkerungsgruppen in ihr Herkunftsland durch die Innenministerien
der Bundesländer gem. § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG möglich.
Asylverfahren und Rechtsschutz
Bei der Einreise kommt der Flüchtling in der Regel zunächst in Kontakt
mit den Grenzbehörden oder der Polizei, welche zuallererst über die Einreisegenehmigung
entscheiden. Diese wird gem. § 18 Abs. 2 AsylVfG verweigert, wenn der/die
Betroffene aus einem iSd. Art. 16 a Abs. 2 GG sicheren Drittstaat einreist,
offensichtlich bereits anderweitig Schutz in einem sonstigen Drittstaat
gem. § 27 AsylVfG gefunden hat oder eine Gefahr für die Allgemeinheit
darstellt, weil er in der BRD bereits zu einer Freiheitsstrafe von mindestens
drei Jahren verurteilt wurde. Besonderheiten gelten im Übrigen bei einer
Einreise auf dem Luftweg, wenn der Betroffene aus einem iSd. Art. 16 a
Abs. 3 GG sicheren Drittstaat einreist oder sich nicht ausweisen kann:
In diesen Fällen findet das Asylverfahren gem. § 18a AsylVfG am Flughafen
und damit vor der Einreise statt.
In den übrigen Fällen folgt die erkennungsdienstliche Registrierung, welche
im Zuge des Dublin II-Abkommens verhindern soll, dass Asylanträge in mehreren
EU-Staaten gestellt werden. Danach wird der Flüchtling an eine sogenannte
Erstaufnahmeeinrichtung weitergeleitet; die Verteilung geschieht nach
dem Verteilungssystem EASY (ErstAufnahme von AsYlbewerbern), das unterschiedliche
Quoten für die Bundesländer vorsieht. Dort kann der Flüchtling den Asylantrag
stellen - das Asylverfahren beginnt. Dies gestattet dem/der BewerberIn
einen vorläufigen Aufenthalt in der BRD, dieser ist gem. § 56 Abs. 1 AsylVfG
auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt und beinhaltet die Pflicht,
in der Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen.
Das Asylverfahren wird durch das BAMF in Nürnberg bzw. eine seiner Außenstellen
in der Erstaufnahmeeinrichtung durchgeführt. Es beginnt mit der Anhörung
und endet mit der Entscheidung durch einen Bediensteten des BAMF, dem
sogenannten Einzelentscheider.
Fällt die Entscheidung, wie im Großteil der Fälle, negativ für den/die
BetroffeneN aus, kann er/sie gerichtlich gegen diese Entscheidung vorgehen.
Entgegen üblicher verwaltungsgerichtlicher Verfahren ist ein Widerspruch
gegenüber der Behörde nicht erforderlich - dies dient nicht dem Schutz
des/der Antragstellers/-stellerin, sondern ebenfalls der Verfahrensbeschleunigung.
Die Rechtsschutzmöglichkeiten im Hauptverfahren differenzieren danach,
mit welcher Begründung der Antrag abgelehnt wurde, dies gilt ebenso für
die Frage, ob und wie während des Gerichtverfahrens einstweiliger Rechtsschutz
gewährt werden kann, der Flüchtling also zunächst in Deutschland bleiben
kann.
Bei einer Einreise aus einem sicheren Drittstaat wird die sofortige Ausreise
angeordnet, ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz kann gem. § 34a
AsylVfG nicht gestellt werden. Diese Regelung gilt selbst dann, wenn Unklarheiten
über den Reiseweg bestehen, und erscheint deshalb im Lichte des Art. 19
Abs. 4 GG als verfassungswidrig.
Nach den §§ 29, 29a und 30 AsylVfG wird der Antrag als offensichtlich
unbegründet oder unbeachtlich - u.a. wegen der Sicherheit des Herkunftsstaats
oder Widersprüchen des Flüchtlings - abgelehnt. Trifft der Bearbeiter
diese Entscheidung, wird dem Flüchtling eine Ausreisefrist von einer Woche
gesetzt, er hat - im Gegensatz zu der grundsätzlichen verwaltungsgerichtlichen
Klagefrist von vier Wochen - eine Woche Zeit, um seine Klage einzureichen
sowie einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu stellen. Der/die
RichterIn hat hiernach eine Woche Zeit für seine Entscheidung; in Anbetracht
der Tatsache, dass allein die Beschaffung der Akten, auch wegen eingeschränkter
Kapazitäten im BAMF, schon einige Zeit in Anspruch nimmt, gestaltet sich
dies als äußerst schwierig und geht an die Grenzen richterlicher Unabhängigkeit.
In allen übrigen Fällen wird die Ablehnung als einfach unbegründet deklariert.
Dann beträgt die Klagefrist jedoch auch nur zwei Wochen, die Klage hat
aufschiebende Wirkung, sodass ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz
nicht erforderlich ist.
Die verwaltungsverfahrensrechtlichen und prozessualen Regelungen zielen
wie auch die vielschichtigen Restriktionen im materiellen Recht darauf
ab, den Schutz des/der Asylsuchenden auf das niedrigste Niveau zu beschränken.
Dies manifestiert sich in der zeitlichen und qualitativen Kürzung der
Rechtsschutzmöglichkeiten. Eine oder zwei Wochen Zeit, um eine Klage zu
verfassen, ist nicht viel für jemanden, der die deutsche Sprache nicht
beherrscht, mit dem deutschen Rechtssystem noch nie in Kontakt war und
sich nicht immer den besten Anwalt leisten kann.
Verfassungsrechtlicher Anspruch erfüllt?
Mit den Einschränkungen des materiellen und prozessualen Asylrechts wurde
das Ziel erreicht, die Zahl der Asylanträge betrug etwa 2004 nur noch
35.607. Währenddessen wird in der öffentlichen Wahrnehmung die sinkende
Zahl an AsylbewerberInnen und Anerkennungen als Erfolg gefeiert. So sagte
es auch der Ex-Innenminister Otto Schily: "[wir haben] durch unser internationales
Engagement zur Stabilisierung zahlreicher Krisengebiete und zur Eindämmung
von Flüchtlingsströmen beigetragen." Die tatsächliche weltpolitische Lage
ergibt ein anderes Bild.
In den Medien ist das Bild des "gefährlichen Migranten" bestimmend. Nicht
die Biographien und Hintergründe der Flüchtlinge bestimmen die Diskussion,
sondern vielmehr die angebliche Gefahr, die von ihnen ausgeht. AsylbewerberInnenheime
und Wohnstätten sind häufig weit abgeschottet und fern von der Öffentlichkeit
- eine Solidarisierung seitens der deutschen Bevölkerung soll möglichst
verhindert werden. Eine Integration ist keinesfalls erwünscht - Flüchtlinge
sollen möglichst kurzzeitig Zuflucht finden und schnell in Ihr Herkunftsland
zurück. Und wenn verzweifelte Menschen nach monatelangen Wanderungen versuchen,
über die Zäune nach Europa zu gelangen, muss man diese Zäune höher bauen.
Der anfangs skizzierte verfassungsrechtliche Anspruch des Flüchtlingsschutzes
gerät vor dem Hintergrund der juristischen Wirklichkeit und der gesellschaftlichen
Diskussion zu einer Farce. Deutschland gestaltet sich als idealer Baustein
für die Festung Europa - will man hier wieder als Beispiel vorangehen?
Pascal Hase und Matthias Lehnert studieren Jura in Münster.
Anmerkungen:
1 1994 wurden 25578 Personen wegen Art. 16a anerkannt, 2005 waren es
nur noch 411 Personen.
2 BVerfGE 54, 341, 346.
3 BVerwG 1 C 9.03, Urt. V. 20.1.2004, Rn. 12.
4 BVerwGE 96, 200, 206 ff.
5 OVG Magdeburg, OVG A 1 S 28/99, Urt. v. 6.12.2001:
6 Art. 1 A Nr. 2 GFK
7 BverfGE 80, 315, 334 f.
8 Duchrow/Spieß, Flüchtlings- und Asylrecht, 2. Aufl., 2006.
9 BVerwG, in: NVwZ 1989, 69, 70 f.
10 Art. 1 Abs. 1 Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche
oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10.12.1984.
11 So die Dienstanweisung des Bundesamtes zu Abschiebungshindernissen
nach § 53 AuslG (Auslegung und Anwendung), Stand 04/96, online: http://www.asyl.net/Magazin/Docs/Docs02/RsprAbschiebungshindernisse.doc
12 Denkbar sind Prügelstrafen, Auspeitschen, Amputationen, Steinigungen,
Zwangssterilisationen, etc.
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