Jens Pfanne |
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Beitragsverweigerung als Ausdruck politischer Interessen | Heft
4/2006 Transnational Concerns: Facetten der Globalisierung Seite 118-119 |
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Die Finanzierung der Vereinten Nationen |
Die Aufgaben der Vereinten Nationen (UN) haben seit der Gründung 1945 stetig zugenommen. Nicht nur die Friedenssicherung, sondern auch der Bereich der Weiterentwicklung der ärmeren Staaten stellen die Staatengemeinschaft vor große Herausforderungen. Um diese Ziele zu erfüllen, bedarf es einer angemessenen Ausstattung mit finanziellen Mitteln. Doch die mangelnde Bereitschaft einiger Mitgliedstaaten der Organisation durch Zahlung von Pflichtbeiträgen ein effizientes Arbeiten zu ermöglichen, führte zur jüngsten Finanzkrise der UN. Vorausgegangen war eine Abstimmung über die sogenannte Managementreform in der Generalversammlung Ende April 2006. Gegenstand dieser Neuerung zur Steigerung der Effizienz war die Übertragung von Entscheidungen über Personal- und Haushaltsfragen auf den Generalsekretär. Gegen diese Beschränkung ihrer Mitwirkungsrechte in der Generalversammlung votierten 108 Entwicklungsländer, während 50 Mitgliedstaaten, darunter die Hauptbeitragszahler, für die Reform stimmten. Das Scheitern dieser Managementreform brachte die UN an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. Der im Dezember 2005 verabschiedete Zweijahreshaushalt sah vor, dass die Mittel zunächst für die erste Jahreshälfte gezahlt werden sollten. Die weitere Freigabe der Beiträge wurde auf Druck der großen Beitragszahler von Reformfortschritten abhängig gemacht. Nachdem die Entwicklungsländer einem zentralen Vorschlag des Generalsekretärs eine Absage erteilten, war zu befürchten, dass die USA ihre Drohung wahrmachten und ihre Beiträge für das zweite Halbjahr zurückhielten. Dies hätte dazu geführt, dass die Gehälter der Angestellten bei den UN nicht mehr ausgezahlt werden könnten. Die Arbeit der Organisation wäre damit zum Erliegen gekommen. Der Generalsekretär rief die Mitgliedstaaten dazu auf, die "zerstörerische Teilung zwischen Nord und Süd" zu überwinden, um die drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Kurz vor Ablauf der Halbjahresfrist verständigten sich die Staaten der EU mit den Entwicklungsländern darauf, die im Vorjahr auf das erste Halbjahr festgesetzte Grenze aufzuheben und somit die Zahlungsfähigkeit der UN zu sichern. Die USA schlossen sich diesem Kurs an, äußerten jedoch Bedenken, ob weitere Reformfortschritte auch ohne den finanziellen Druck zustande kämen. Diese Rettung in letzter Minute zeigt die Probleme auf, die durch die Abhängigkeit von der Zahlungsbereitschaft der Mitgliedstaaten der UN entstehen. Seit den sechziger Jahren drohte der UN der finanzielle Zusammenbruch durch die Zurückhaltung von Pflichtbeiträgen. Es handelt sich hierbei also nicht um ein Phänomen aus der jüngeren Zeit, sondern um eine ständige Begleiterscheinung der Organisation. Die Finanzkrisen der Vereinten Nationen Im Rückblick auf die Geschichte der UN ist es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den Mitgliedstaaten gekommen. Gegenüber standen sich bei diesen Konflikten zum einen die großen Beitragszahler, die über die Verteilung der Kosten anhand des Beitragsschlüssels stritten, da in diesem Finanzierungssystem eine Absenkung automatisch mit der Steigerung der anderen Beitragssätze verbunden ist. Zum anderen besteht ein weiteres Konfliktpotential zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Letztere streben eine Aufstockung der finanziellen Mittel der UN an, da ein großer Teil in entwicklungspolitische Projekte investiert wird. Die großen Beitragszahler tragen hierfür die Hauptlast - es findet eine Art der globalen Umverteilung statt. Hingegen stören sich die Industrienationen an der Diskrepanz zwischen hoher Beitragsbelastung und geringer Mitsprache. Die sich entgegenstehenden Interessen führten unter anderem dazu, dass Mitgliedstaaten die Zahlung ihrer Pflichtbeiträge verweigerten und damit gegen die Staatenverpflichtung zur Beitragszahlung aus Art. 17 Abs. 2 UN-Charta verstießen. Zur ernsthaften Bedrohung für die Liquidität der UN führte erstmals die Beitragsverweigerung der UdSSR für die Friedensmission im Kongo Anfang der 60'er Jahre. Glücklicherweise konnte die Situation durch freiwillige Leistungen der Mitgliedstaaten entschärft werden.1 Die finanzielle Situation in den 80'er Jahren war geprägt von selektiven Beitragszahlungen der USA, bei denen der amerikanische Kongress die Mittel nur für bestimmte Programme freigab. Hierdurch wollten die USA ihren Widerstand gegen bestimmte Aktivitäten der UN bekräftigen. Weiterhin führte der Beschluss der US-Administration, die Pflichtbeiträge erst im letzten Quartal eines Kalenderjahres zu überweisen, zu weiteren Schwierigkeiten bei der Erfüllung der Verbindlichkeiten. Die finanzielle Situation der 90'er Jahre war geprägt durch einen Anstieg der Missionen zur Friedenssicherung und die damit verbundene Aufstockung der SoldatInnen auf annähernd 70.000 "Blauhelme".2 Die Verteilung der Ausgaben - eine gerechte Sache? Die Ausgaben der Organisation werden nach gemäß Artikel 17 der Charta der Vereinten Nationen von den Mitgliedstaaten durch Pflichtbeiträge getragen. Anknüpfungspunkt für die Verteilung der Kosten auf die einzelnen Mitgliedstaaten ist ein Beitragsschlüssel, der den prozentualen Anteil am ordentlichen Haushalt wiedergibt. Grundlage für die Berechnung dieser Zahlen ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Staates. Als Bezugsgröße dient hierbei der jeweilige Anteil am Weltbruttosozialprodukt. Für jeden der 192 Mitgliedstaaten wird ein Wert für die Dauer von drei Jahren festgelegt. Um ein größeres Maß an Beitragsgerechtigkeit zu gewährleisten, können Entlastungsfaktoren von den Entwicklungsländern geltend gemacht werden. Hierzu zählen ein niedriges Pro-Kopf-Einkommen sowie eine hohe Auslandsverschuldung. Zudem ist sowohl der Höchst- als auch der Mindestbeitrag begrenzt. Nach der aktuellen Beitragsskala zahlen 48 Mitgliedstaaten die Minimalbelastung von 0,001 Prozent am Gesamtvolumen des ordentlichen Haushalts. 2005 entsprach dieser Wert einem Pflichtbeitrag von 17.795 US-Dollar. Die aktuell geltende Höchstgrenze von 22 Prozentpunkten zahlen derzeit allein die USA. Gemessen an ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit läge ihr Anteil an den Ausgaben der UN aber um rund acht Prozentpunkte höher. Diese seit 2001 festgesetzte Grenze von 22 Prozent ist als Kompromiss nach schwierigen Verhandlungen entstanden. Die Forderung der USA nach einer weiteren Entlastung stieß bei den übrigen Staaten auf Gegenwehr, da ihr Anteil ohnehin unterhalb ihrer Zahlungsfähigkeit lag. Verschärfend kam hinzu, dass die Rückstände der Beitragszahlungen der USA bis zu diesem Zeitpunkt auf über 1,3 Milliarden US-Dollar angewachsen war. Durch die Zusage des US-Senats einen großen Teil dieser Schulden zu begleichen, sowie eine Spende des CNN-Gründers Ted Turner in Höhe von 34 Mio. US-Dollar führten schließlich zu einer Mehrheit in der Generalversammlung, so dass für die Beitragsskala 2001-2003 die Höchstgrenze auf 22 Prozent festgelegt wurde.3 Das hierdurch entstandene Defizit wird zum größten Teil durch die Mitgliedstaaten der EU getragen, die mit einem Beitrag von derzeit 36,525 Prozent den größten Anteil am regulären Haushalt tragen. Aber auch einige Schwellenländer mussten Erhöhungen ihrer Beitragssätze hinnehmen. Das Kriterium der relativen Zahlungsfähigkeit findet bei der größten Volkswirtschaft der Welt schon lange keine Anwendung mehr. Die Finanzierung der Friedenstruppen - ein lohnendes Geschäft? Neben den Ausgaben des regulären Haushalts verursachen die Friedensmissionen
Kosten, die von den Mitgliedstaaten zu finanzieren sind. Die Höhe der
Mittel hängt von der benötigten Truppenstärke, der Qualität der Infrastruktur
am Einsatzort oder der Erforderlichkeit einer speziellen Ausrüstung ab.
Ein großer Teil der durch Beitragsumlagen aufzubringenden finanziellen
Mittel ist für die truppenstellenden Staaten bestimmt. Die Entschädigung
für die eingesetzten Personen beträgt etwa 1.000 US-Dollar im Monat. Je
nach Herkunftsland bedeutet diese Vergütung einen finanziellen Zugewinn
oder aber einen Verlust in der Bilanz des Truppenstellers. Nationen mit
einem niedrigen Kostenniveau für ihre SoldatInnen können durch Einsätze
bei den UN einen Gewinn erzielen und somit den Verteidigungshaushalt konsolidieren,
während für westliche Industrienationen die monatliche Entschädigung keinesfalls
die Kosten decken dürfte. Somit ließe sich unter anderem erklären, dass
Bangladesch und Pakistan die größten Truppenanteile bei den Friedensmissionen
zur Verfügung stellen. Die Finanzierung erfolgt über Sonderkonten, die
für jede Mission eingerichtet werden. Die Verteilung der Beiträge zu den
Friedensmissionen richtet sich nach dem Beitragsschlüssel zum regulären
Haushalt, so dass auch hier die relative Zahlungsfähigkeit das ausschlaggebende
Kriterium darstellt. Zusätzlich zu den Vorgaben aus der Beitragstabelle
werden die Mitgliedstaaten der UN in zehn Gruppen unterteilt, nach denen
Abschläge, aber auch Zuzahlungen die Folge sein können. Hintergrund für
diese Abstufungen war eine vermehrte Berücksichtigung der wirtschaftlichen
Schwierigkeiten der Entwicklungsländer einerseits und die besondere Verantwortung
der fünf Ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates zur Wahrung des Weltfriedens
andererseits. Aufgrund der besonderen Rechte der fünf Veto-Mächte in Bezug
auf die Entscheidungen über Entstehung, Zusammenstellung und Mandat der
UN-Friedenstruppen wurde vereinbart, ihnen einen Zuschlag aufzuerlegen,
um das Defizit, das durch die Entlastung der Entwicklungsländer geführt
hat, auszugleichen.4 Auch bei der Finanzierung der Friedensmissionen haben
die USA durch eine einseitig festgelegte Begrenzung ihrer Beitragslast
bewirkt, dass die für alle gleich geltenden Kriterien zur Berechnung der
Beitragsverteilung, zu Lasten der übrigen Mitgliedstaaten, Durchbrechungen
erfuhren. Diese politisch motivierten Beitragskürzungen zeigen deutlich
die Unzufriedenheit der USA mit der Arbeit der UN. Besonders die Abstimmungsmehrheit
der Entwicklungsländer in der Generalversammlung veranlasst die USA zu
diesen drastischen Maßnahmen. Jens Pfanne studiert Jura in Münster Anmerkungen: 1 Hüfner, Klaus, Finanzkrisen, in: Volger, Helmut, Lexikon der Vereinten
Nationen, 2000, 122. Literatur: Gareis, Sven Bernhard / Varwick, Johannes, Die Vereinten Nationen,
Aufgaben, Instrumente und Reformen, 2006. |