Heft 4 / 2001:
grenzenlos beschränkt
MigrantInnenpolitik in BRD und Europa
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Gabi von Thenen Zum ersten Artikel des Schwerpunkts Zur Rubrik Ausbildung Zur Rubrik Recht kurz Zum Sammelsurium Zur Rubrik Politische Justiz Zur BAKJ-Seite
Frauenspezifische Fluchtgründe
Vorschläge für die gesetzliche Normierung eines effektiven Flüchtlingsschutzes
 

Viele für diesen Artikel relevante Rechtsvorschriften findet Ihr hier.

Nach dem Bericht der Süssmuth-Kommission zur Zuwanderung hatte die Forderung, frauenspezifische Fluchtgründe stärker zu berücksichtigen, zunächst in fast allen Parteien Unterstützung gefunden. Mit einer solchen Berücksichtigung würde es die Bundesrepublik anderen europäischen Staaten, wie Irland, Schweden, Großbritannien und der Schweiz gleichtun. Der politische Wille, dieses Ziel auch tatsächlich durchzusetzen, scheint aber derzeit nur noch bei Bündnis90/Die Grünen zu bestehen. Es ist auch nicht allein der politische Wille, von dem eine bestmögliche Normierung frauenspezifischer Fluchtgründe abhängt. Eine solche kann nur erreicht werden, wenn klar ist, welche Probleme bei der juristischen Subsumtion unter die Regelungen des derzeitigen Asyl- und Ausländerrechts bestehen und welche Fälle mit dem Begriff der frauenspezifischen Fluchtgründe bezeichnet werden.

Was sind frauenspezifische Fluchtgründe ?

Der Begriff frauenspezifische Fluchtgründe ist in der sozialwissenschaftlichen Literatur geprägt worden und wird überwiegend mit den Begriffen geschlechtsspezifische Verfolgung von Frauen bzw. der frauenspezifischen Verfolgung synonym verwendet. Eine abstrakte Definition dieses Begriffs gibt es bisher nicht, sondern es werden jeweils nicht vollständig übereinstimmende Fallgruppen gebildet. Es scheint aber Einigkeit darüber zu bestehen, dass frauenspezifische Fluchtgründe in allen den Fällen vorliegen, in denen Frauen aus anderen, ihnen in irgendeiner Weise eigenen, Gründen fliehen als Männer.

Ein frauenspezifischer Fluchtgrund liegt zunächst dann vor, wenn in einer bestimmten Situation ausschließlich oder zumindest ganz überwiegend Frauen zur Flucht motiviert werden. Beispiel hierfür ist die Genitalverstümmelung, die vor allem in zahlreichen Regionen Afrikas praktiziert wird. Gleiches gilt für Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt und die daraus resultierenden gesellschaftlichen Folgen. Ein weiteres Beispiel sind die in zahlreichen Staaten bestehenden staatlich oder gesellschaftlich sanktionierten Verhaltensvorschriften, die das Leben "als Frau" so genau festlegen, dass ein selbstbestimmtes Leben nicht möglich ist.

Besonders deutlich ist diese Situation derzeit in Afghanistan, wo zahlreiche sanktionsbewährte Verhaltensvorschriften der Taliban-Regierung bestehen, die das Verhalten von Frauen so genau regeln, dass ihnen keine oder allenfalls noch eine minimale Möglichkeit bleibt, ihr Leben zu gestalten. Aber auch in anderen Ländern, wie beispielsweise in Indien und Pakistan, bestehen gesellschaftlich sanktionierte Verhaltensvorschriften, die weite Bereiche des Lebens der Frauen regeln. So werden Frauen in zahlreichen Gesellschaften zur Heirat gezwungen. Eine Scheidung ist oft nur mit dem Einverständnis ihres Ehemannes möglich, so dass sich die Ehe für die betroffenen Frauen oft als ein "lebenslanges Gefängnis" darstellt. Vor allem Frauen sind weltweit das Opfer zum Teil schwerster Formen häuslicher Gewalt. Besonders gravierend ist die Situation beim sog. "dowry death", dem vor allem im Norden Indiens zahlreiche Frauen zum Opfer fallen: Den zukünftigen Ehemännern wird für die Heirat von den Eltern der Braut ein Brautpreis versprochen. Wenn dieser nicht gezahlt wird oder die Ehemänner höhere Forderungen stellen, die ihnen verweigert werden, bringen sie ihre Frauen zumeist durch Verbrennen um und tarnen dies anschließend als Küchenunfall.

Ein Fluchtgrund ist auch dann frauenspezifisch, wenn nicht der Beweggrund für die Flucht, sondern nur die Form der Rechtsgutbeeinträchtigung frauenspezifisch ist. So richteten sich die Verbrechen im Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina gegen bestimmte ethnische Gruppen insgesamt, speziell gegen Frauen wurden dabei jedoch schwerste Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt als "Mittel zur Kriegsführung" eingesetzt. Vergewaltigungen stellen auch oft ein Mittel der Folter dar. Beispiel hierfür sind Folterungen an politisch aktiven Kurdinnen durch türkische Sicherheitskräfte.

Relevante Vorschriften des geltenden Rechts

Für die Beurteilung der Fälle frauenspezifischer Verfolgung sind vor allem vier Vorschriften relevant: Das Asylgrundrecht des Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG), der Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 Ausländergesetz (AuslG), das sog. kleine Asyl, sowie der Abschiebungsschutz nach §§ 53 Abs. 4 und Abs. 6 AuslG. Eine Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a Abs. 1 GG führt zu dem stärksten aufenthaltsrechtlichen Schutz, die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 51 Abs. 1 AuslG zu einem etwas geringeren Schutz und die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 4 AuslG und § 53 Abs. 6 AuslG zu dem unsichersten Aufenthaltsstatus, der Duldung. Wegen der für Flüchtlinge günstigeren aufenthaltsrechtlichen Folgen sind Gesetzesänderungen daher vor allem in den Art. 16a Abs. 1 GG und in § 51 Abs. 1 AuslG anzustreben. Es werden daher im folgenden auch nur die rechtlichen Probleme betrachtet, die bei der Subsumtion unter diese Vorschriften auftreten.

Nach Art. 16a Abs. 1 GG erhalten politisch Verfolgte Asylrecht. Nach § 51 AuslG darf "ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist". Dies sind die in Art. 1 A Nr. 2 1. Hs. der Genfer Flüchtlingskonvention 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 2 des Protokolls von 1967 (im Folgenden: Art. 1 A Nr. 2 1. Hs. GFK) enthaltenen Verfolgungsgründe. Im Rahmen des Art. 16a Abs. 1 GG wird der politische Charakter der Verfolgung ebenfalls in erster Linie anhand dieser in Art. 1 A Nr. 2 1. Hs. GFK enthaltenen Gründe bestimmt. 2 Die Vorschriften werden auch ansonsten in der Rechtsprechung weitgehend parallel ausgelegt; einige Verwaltungsgerichte sehen allerdings bezüglich der nichtstaatlichen Verfolgung Differenzen 3.

Bei der Subsumtion der hier relevanten Fallgruppen unter beide Vorschriften stellen sich im Wesentlichen drei Problempunkte: Wann liegt in diesen Fällen Verfolgung vor? Welche Probleme bestehen in den Fällen, in denen die Verfolgung nicht direkt vom Staat, sondern von Privaten ausgeht? Sind die betroffenen Frauen wegen eines relevanten Grundes verfolgt ?

Verfolgung

Art. 16a Abs. 1 GG und § 51 AuslG verlangen beide, dass den betroffenen Frauen Verfolgung droht. Eine Verfolgung ist nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG eine unmittelbare Verletzung von Leib, Leben oder physischer Freiheit, sowie eine sonstige Rechtsgutverletzung, die die Menschenwürde verletzt und über das hinausgeht, was die Bewohner des jeweiligen Staates allgemein hinzunehmen haben. 4 Sofern eine Beeinträchtigung eines der ausdrücklich genannten Rechtsgüter droht, bereitet die Subsumtion nur wenige Probleme. Vergewaltigungen, schwere Formen sexueller Gewalt, der sog. "dowry death" und viele Formen häuslicher Gewalt stellen von ihrem Schweregrad her Verfolgung dar. Das gilt auch für die Genitalverstümmelung, da diese zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Gesundheit und nicht selten auch zum Tod führt. Von einigen Verwaltungsgerichten wird die Genitalverstümmelung aber nur dann als Verfolgung angesehen, wenn sie ohne Einverständnis der Betroffenenen erfolgt, da sie andernfalls als kulturelle Tradition zu akzeptieren sei. 5 Sehr viel größere Schwierigkeiten bereitet die Subsumtion aber in den Fällen, in denen ein sonstiges Rechtsgut betroffen ist, wie dies beispielsweise bei der Zwangsverheiratung und dem Bestehen von Verhaltensvorschriften der Fall ist. Es ist durchaus möglich, dahingehend zu argumentieren, dass die Zwangsverheiratung menschenwürdeverletzende Intensität besitzt, da sie einer lebenslangen Haft durchaus vergleichbar ist. Gleiches gilt für die Fälle, in denen Frauen durch Verhaltensvorschriften so eingeengt werden, dass sie in keiner Weise ihren eigenen Vorstellungen entsprechend leben können und dadurch ein unerträglicher psychischer Druck entsteht. Beides wurde aber bisher weder in der Rechtsprechung noch in der Kommentarliteratur als Verfolgung angesehen.

Staatlichkeit der Verfolgung

In vielen Fällen, in denen Frauen verfolgt werden, geht die Verfolgung nicht direkt vom Staat aus, sondern von Privatleuten. Anders als die Gerichte in anderen Staaten vertreten das Bundesverfassungsgericht bezüglich Art. 16a Abs. 1 GG und das Bundesverwaltungsgericht bezüglich § 51 Abs. 1 AuslG die Auffassung, dass eine Verfolgung nur dann relevant ist, wenn sie entweder direkt vom Staat ausgeht oder dem Staat zuzurechnen ist (sog. Zurechnungstheorie). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht in eine solche Zurechenbarkeit dann gegeben, wenn der Staat nicht bereit ist, gegen Verfolgungsmaßnahmen Dritter Schutz zu gewähren oder wenn er sich nicht dazu in der Lage sieht, an sich verfügbare Mittel im konkreten Fall einzusetzen. 6 In vielen anderen Staaten wird hingegen die sog. Schutztheorie vertreten. Hiernach kommt es nur darauf an, ob die Betroffenen gegen Verfolgungshandlungen Dritter keinen effektiven Schutz erhalten. Diese Auffassung wird von zwei Verwaltungsgerichten geteilt. 7 Beide Auffassungen können in den hier interessierenden Fallkonstellationen durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. So verneinte das VG München 8 in einer jüngst veröffentlichten Entscheidung, dass dem Staat Togo die der Antragstellerin drohende Genitalverstümmelung zugerechnet werden könne, bejahte aber das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, den das VG abweichend von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht im Sinne der Schutztheorie auslegte. Zu Problemen führt die Zurechnungstheorie zudem in Situationen, in denen kein Staat besteht. Die deutsche Rechtsprechung bejaht z.B. in Bürgerkriegssituationen erst dann eine Zurechnung, wenn ein "de facto" Staat besteht. Das Bundesverwaltungsgericht stellt extrem hohe Bedingungen an die Existenz eines solchen Staates und hat sich z.B. bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem letzten Jahr 9 geweigert, die Taliban in Afghanistan als eine solche "de facto" Autorität anzuerkennen.

Verfolgungsgrund

Die Verfolgung muss zudem aus einem bestimmten Grund erfolgen. Dies sind im Rahmen des Art. 16a GG in erster Linie und im Rahmen des § 51 Abs. 1 AuslG ausschließlich die in Art. 1 A Nr. 2 1. Hs. GFK aufgeführten Gründe, also Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe und politische Überzeugung. Die Subsumtion unter diese Gründe bereitet in einigen der o.g. Fallkonstellationen keine spezifischen Probleme: Im Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina wurden die Frauen wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit und damit "wegen ihrer Rasse" bzw. "wegen ihrer Nationalität" im Sinne des Art. 1 A Nr. 2 1. Hs. GFK verfolgt. Ebenso sind Kurdinnen, die sich wegen ihrer politischen Aktivitäten in Haft befinden und dort durch Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt gefoltert werden, wegen ihrer politischen Überzeugung verfolgt. In den meisten Fallkonstellationen kommt aber allein die Zugehörigkeit zu einer "bestimmten sozialen Gruppe" als Grund für die Verfolgung in Betracht. Eine solche "bestimmte soziale Gruppe" könnte die Gruppe aller Frauen eines Staates oder eine Untergruppe hiervon sein.

Frauen/Untergruppen von Frauen als bestimmte soziale Gruppe

Das VG München nimmt in der o.g. Entscheidung an an, dass die von Genitalverstümmelung in Togo betroffenen Mädchen und Frauen eine solche "bestimmte soziale Gruppe" darstellen. 10 In allen anderen Entscheidungen zu frauenspezifischen Fluchtgründen wird die Frage, ob alle Frauen eines Staates oder bestimmte Untergruppen von Frauen "bestimmte soziale Gruppen" im Sinne des Art. 1 A Nr. 2 1. Hs. GFK darstellen, entweder offengelassen oder gar nicht erst gestellt. Auch in der internationalen Rechtsprechung lässt sich keine einheitliche Linie zu diesem Punkt erkennen. In letzter Zeit befindet sich allerdings die Auffassung im Vordringen, nach der eine "bestimmte soziale Gruppe" eine Verbindung von Personen ist, die ein unveränderliches Merkmal gemeinsam haben 11. Es bereitet keine Probleme, hierunter die Gruppe aller Frauen eines Staates zu subsumieren, da sie durch das angeborene Merkmal Geschlecht miteinander verbunden sind. Mittlerweile fast einhellig abgelehnt wird die in den USA entwickelte Gegenposition, wonach es sich um eine relativ kleine, homogene Gruppe handeln muss, die ausdrücklich nicht durch weitverbreitete Merkmale wie das Geschlecht definiert sein kann 12.

Geschlecht als zusätzlicher Verfolgungsgrund i.S.d. Art. 16a Abs. 1 GG

Im Rahmen des Art. 16a Abs. 1 GG sieht das Bundesverwaltungsgericht die in Art. 1 A Nr. 2 1. Hs. GFK enthaltenen Verfolgungsgründe zwar als die wesentlichen Asylgründe an, nicht aber als die einzigen. 13 Es könnten vielmehr auch solche persönlichen Eigenschaften und Verhaltensweisen in Betracht kommen, die nach Art und Charakter den asylrechtlich stets erheblichen Merkmalen wie der Rasse, der Nationalität, der Religion oder der politischen Überzeugung vergleichbar seien. Dies solle insbesondere dann nahe liegen, wenn sie sich bereits in der Vergangenheit als verfolgungsträchtig erwiesen haben. 14 In einer früheren Entscheidung stellt das Bundesverwaltungsgericht einen Zusammenhang zwischen dem Toleranzgebot des Art. 3 Abs. 3 GG und dem Asylrecht her: "Wie das Diskriminierungsverbot im Inland Schutz vor Benachteiligungen wegen des Geschlechts, der Abstammung, der Rasse, der Herkunft und der religiösen oder politischen Anschauungen gewährt, gewährt das Asylrecht bei einer wegen dieser Merkmale im Ausland erlittenen oder drohenden Verfolgung Schutz vor dem Zugriff des verfolgenden Staates. Insofern wird das Asylrecht getragen von dem auch Art. 3 Abs. 3 GG zugrunde liegenden Toleranzgebot." 15 Diese Ausführungen scheinen dafür zu sprechen, dass das Geschlecht ein eigener Verfolgungsgrund im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG ist, wie dies auch schon von mehreren Verwaltungsgerichten explizit angenommen wurde. 16 Auch das Bundesverwaltungsgericht selbst scheint in einer neueren Entscheidung, die allerdings einen männlichen Tamilen betrifft, hiervon auszugehen, ohne dies aber näher zu begründen. 17 Andere Gerichte hingegen verneinen dies 18 oder lassen diese Frage offen 19.

Verfolgung wegen des Verfolgungsgrundes

Sowohl im Rahmen des Art. 16a Abs. 1 GG als auch des § 51 Abs. 1 AuslG reicht es nicht aus, isoliert das Vorliegen von Verfolgung und von einem Verfolgungsgrund festzustellen. Die Verfolgung muss zudem auch wegen des Verfolgungsgrundes erfolgen. Sie muss somit wegen der Zugehörigkeit zu der Gruppe alle Frauen eines Staates bzw. einer bestimmten Untergruppe von Frauen bzw. (im Rahmen des Art. 16a Abs. 1 GG) wegen des Geschlechts erfolgen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht kommt es auf die objektive Zielrichtung der Maßnahme an. 20 Die Subsumtion ist nicht immer so einfach, wie es in der öffentlichen Diskussion oftmals den Anschein hat. So wurde in mehreren internationalen Urteilen angenommen, dass die Verfolgung deswegen nicht wegen der Zugehörigkeit zur Gruppe aller Frauen des Staates erfolgt, weil nicht alle Frauen hiervon betroffen sind. 21 Es wurde daher auf eng definierte Untergruppen von Frauen, wie die Gruppe der "single women living in a Moslem country without the protection of a male relative" 22 zurückgegriffen, da hier die Verbindung zwischen der Zugehörigkeit zur der entsprechenden Gruppe und der Verfolgungsmaßnahme einfacher herzustellen schien. In der deutschen Rechtsprechung wurden diese Probleme bisher noch nicht gesehen, was aber daher rührt, dass alle Frauen eines Staates bisher noch nicht als bestimmte soziale Gruppe angesehen wurden.

Vorschläge für das deutsche Recht

Nachdem umrissen worden ist, welche Probleme nach derzeitiger Rechtslage bei der Beurteilung von frauenspezifischen Fluchtgründen bestehen, kann der Versuch unternommen werden, konkrete Vorschläge für Gesetzesänderungen zu machen, die den Schutz der betroffenen Frauen möglichst umfassend sicherstellen sollen.

Erfassung der nichtstaatlichen Verfolgung

Mit Wirkung über den Bereich der frauenspezifischen Verfolgungsgründe hinaus ist es zunächst erforderlich, nichtstaatliche Verfolgung auch dann als Verfolgung im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG anzusehen, wenn sie nach den Kriterien der obergerichtlichen Rechtsprechung dem Staat nicht zurechenbar ist. Konkret könnte, wie dies bereits vorgeschlagen wurde, in § 51 Abs. 1 AuslG folgender Satz 2 eingefügt werden: "Die Bedrohung im Sinne von Satz 1 besteht auch, wenn im Herkunftsstaat keine übergreifende staatliche oder staatsähnliche Ordnungsmacht existiert oder der Staat schutzunfähig ist." 23 Gleiches könnte auch im Rahmen des Art. 16a Abs. 1 GG erreicht werden, allerdings nur mit einer Grundgesetzänderung, die machtpolitisch deutlich unrealistischer ist.

Klärung hinsichtlich des Verfolgungsgrundes

Um einen effektiven Schutz von Frauen hinsichtlich des Verfolgungsgrundes zu erreichen, sind zwei Möglichkeiten denkbar: In Art. 16a Abs. 1 GG und/oder in § 51 Abs. 1 AuslG könnte vergleichbar der schwedischen Lösung 24 das Geschlecht als Verfolgungsgrund eingefügt werden. Es könnte auch wie in Irland 25 klargestellt werden, dass Frauen oder Untergruppen von Frauen eine bestimmte soziale Gruppe im Sinne des Art. 1 A Nr. 2 1. Hs. GFK darstellen. Damit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG ausgeschlossen werden kann, müsste dies zugleich auch für Männer und Untergruppen von Männern klargestellt werden. Die zuletzt genannte Möglichkeit hat zwei Vorteile: Sie ist besser mit der künftigen europäischen Rechtslage in Einklang zu bringen, nach der die Regelung des Art. 1 A Nr. 2 1. Hs. GFK das künftige materiell-rechtliche Mindestkriterium für die Asylgewährung bilden wird. Europaweiter Mindestschutz besteht daher nur, wenn die Fälle als Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe angesehen werden können. Durch eine solche Klarstellung ist zudem der Weg dafür offen, dass Untergruppen von Frauen als bestimmte soziale Gruppen anerkannt werden können, bei denen eine Verbindung zwischen der Verfolgung und dem Grund leichter herzustellen zu sein scheint.

Konkretisierung des Verfolgungsbegriffs

Zunächst sei noch einmal festgestellt, dass sich die Probleme, die bei der Auslegung des Verfolgungsbegriffs bestehen, keinesfalls durch eine Einfügung des Geschlechts als Verfolgungsgrund lösen lassen, da wie oben gesehen strikt zwischen dem Verfolgungsbegriff und dem Grund, aus dem die Verfolgung erfolgt, zu trennen ist. Wegen der verschiedenartigen Probleme, die bei der Subsumtion der Fälle bestehen, erscheint es zudem schwierig, diese Fragen in einem abstrakten Gesetzestext zu lösen. In den USA, Kanada und Großbritannien werden diese Probleme daher auch überwiegend in detaillierten Richtlinien geregelt. Eine solche Normierung ist für das deutsche Recht aber nicht geeignet: Richtlinien existieren hier nur als Verwaltungsvorschriften, die wegen der Unabhängigkeit der AsylentscheiderInnen aber weder im Rahmen des Art. 16a Abs. 1 GG noch des § 51 AuslG erlassen werden können. Es wäre aber denkbar, in Annäherung an die Schweiz 26 etwa folgende Regelung aufzunehmen: "Verfolgung stellen auch solche schwerwiegenden Nachteile dar, die spezifisch Frauen treffen. Dies sind beispielsweise Genitalverstümmelung, Zwangsverheiratung sowie sonstige Verhaltensvorschriften, die einen unerträglichen psychischen Druck bei Frauen auslösen."

Im Interesse aller betroffenen Frauen bleibt zu hoffen, dass ihre Situation durch baldige Gesetzesänderungen tatsächlich verbessert wird und ihre Anliegen nicht dem vorgezogenen Wahlkampf zum Opfer fallen.

Gabi von Thenen lebt in Berlin.

Anmerkungen:

1 Abkommen über die Rechtstellung der Flüchtlinge vom 28.Juli 1951, BGBl. 1953 II, 560.
2 BVerfGE 76, 143/156; BVerwGE 67, 184/188.
3 VG München, Urteil vom 06.03.2001 - M 21 K 98.51167, erhältlich auf der Seite asyl.net; VG Frankfurt, Urteil vom 29.03.1999, InfAuslR 1999, 300f.
4 BVerfGE 54, 341, (357); BVerfGE 76, 143 (158).
5 VG Freiburg , Urteil vom 5.2.2001 - A 2 K 10475/00.
6 BverfGE 80, 315/335.
7 VG München (siehe Fn. 4); VG Frankfurt (siehe Fn.4).
8 VG München (siehe Fn.4).
9 BVerfG-K, Entscheidung vom 10.8.2000, 2 BVR 260/98, 2 BVR 1353/98, NVwZ 2000, 1165ff.
10 VG München (siehe Fn.4).
11 Kanadische Entscheidung Ward v. Canada [1993] 2 S.C.R. 689ff; Entscheidung Islam und Shah des britischen House of Lords, International Journal of Refugee Law 1999, 496ff.
12 Sanchez-Trujillo v. INS, [Federal Court of Appeals, 9th circuit 1986] 801 F.2d 1571 (1576); Gomez v. INS, [1991 (2nd circuit), 947 F.2d 660 (664).
13 BVerwGE 79, 143/146.
14 BVerwGE 79, 143/146.
15 BVerwGE 67, 184/187.
16 VG Ansbach, Urteil v. 19.02.1992, AN 17 K 91.44245, Streit 1993, 104ff; VG Wiesbaden, Urteil vom 27.01.2000, 5 E 31472/98 A (2), Streit 1998, 133ff.
17 BVerwG, Urteil vom 25.7.2000 9 C 28/99, NVwZ 2000, 1426ff.
18 VG Frankfurt Urteil vom 29. März 1999, 9 E 30919/97.A (2).
19 VG Freiburg , Urteil vom 5.2.2001 - A 2 K 10475/00.
20 BVerfGE 80, 315/335.
21 Islam und Shah, International Journal of Refugee Law 1999, 496ff.
22 so die kanadische Entscheidung: Re: Incirciyan (10 Aug. 1987), No. M87-1541X and M87-1248 (I.A.B.).
23 so Marx, ZAR 2001, 12/15.
24 Folkelius/Noll, International Journal of Refugee Law 1998, 607/617.
25 http:/www.justice.ie.
26 siehe hierzu Kälin, ZAR 2000, 153/156.

Literatur:

Folkelius, Kristina/Noll, Gregor, Affirmative Exclusion? Sex, Gender, Persecution and the Reformed Swedish Aliens Act, International Journal of Refugee Law 1998, 606ff.
Kälin, Walter, Das neue schweizerische Asylgesetz, ZAR 2000, 153ff.
Marx, Reinhard, Nichtstaatliche Verfolgung und deutsches Ausländerrecht, ZAR 2001, 12ff.

Weiterführende Literatur:

Crawley, Heaven, Refugees and Gender, London 2001.
Galen, Margarete von, Frauen als politisch Verfolgte, Streit 1992, 142f.
Mascioni, Yvonne, Kein Entkommen. Frauen auf der Flucht, Forum Recht 2/95, 53ff.
Mees-Asadollah, Ursula; Frauenspezifische Verfolgung- wird die deutsche Asylpraxis ihr gerecht?, Streit 1998, S. 139ff.
Spijkerboer, Thomas; Women and refugee status, The Hague 1994 sowie Gender and Refugee Status, Ashgate 2000.