|
"Wir haben in abenteuerlichen Reformen unser Hochschulwesen statt auf
Elite und Wettbewerb auf breiteste Masse umgestellt und den Wettbewerb
als unmoralisch denunziert."
Dieses Zitat von Gerd Bucerius, dem Gründer der ZEIT-Stiftung, findet
sich auf der Internetseite der Bucerius Law School Hamburg (BLS) an mehreren
Stellen. Gegen den beschriebenen Zustand will diese erste und bislang
einzige private Rechtshochschule Deutschlands dringend etwas unternehmen.
Zur Verwirklichung dieses Zieles hat sie im Oktober 2000 ihren Betrieb
aufgenommen.
Aber vor den Einzelheiten zunächst einmal eine förmliche Vorstellung:
Das Studium an der Bucerius Law School dauert zehn Trimester. Ein Trimester
wird an einer ausländischen Partneruniversität studiert. Außerdem wird
ein sogenanntes Studium generale angeboten. Jedes Trimester kostet dabei
2.650 € Studiengebühren.
Gelehrt und gelernt wird ganz herkömmlich in Vorlesungen und begleitenden
Kleingruppenveranstaltungen, in den ersten Trimestern mit etwa gleichen
Stundenanteilen. Jede Lehrveranstaltung wird mit einer Prüfung abgeschlossen.
Aus den Ergebnissen dieser Prüfungen errechnet sich die Note des akademischen
Grades Bachelor of Law (LL.B.), den die Law School verleiht. Ansonsten
gibt es natürlich die Möglichkeit, nach 3 1/2 Jahren das erste Staatsexamen
beim Landesjustizprüfungsamt abzulegen.
Im Vollbetrieb wird die Bucerius Law School etwa 400 Studierenden Platz
bieten. Pro Jahr werden 100 StudienanfängerInnen das Studium beginnen.
"Bei der Auswahl zählt nur eines: die bestmögliche Eignung für das Studium
der Rechtswissenschaft." Ein umfangreiches Auswahlverfahren soll sicherstellen,
dass nur "besonders begabte und leistungswillige" BewerberInnen einen
Studienplatz erhalten. Dies geschieht mithilfe eines Tests (Belastung
für die Portokasse: 250 DM) und einer Begutachtung durch Menschen aus
Wirtschaft und Wissenschaft. Grundvoraussetzungen sind "nur" das Abitur
und hervorragende Englischkenntnisse.
Wo geht das Geld hin...?
Die BLS selbst rechnet mit einem Jahresetat von ca. 12 Mio. DM, sobald
die Schule voll ausgebaut ist. Dabei werden die Kosten von der Zeit-Stiftung,
SponsorInnen und durch Studiengebühren jeweils zu einem Drittel getragen,
wobei die Zeit-Stiftung nach eigenen Angaben im Notfall auch allein tragungsfähig
ist.
Die hohen Kosten kommen durch die besonderen Ansprüche zustande. Da sind
zum einen besondere Ausgaben für die Lehrstühle, da das Lehrpersonal durch
finanzielle Anreize von den staatlichen Universitäten abgeworben werden
muss (so geschehen bei Prof. Dr. K. Schmidt, Bonn, oder Prof. Dr. H. Kötz,
Hamburg). Auch soll die Bibliothek den BLS-Studierenden 24 Stunden offen
stehen. Zudem ist man in technischer Hinsicht ehrgeizig: So soll ein eigenes
Funknetz den gesamten Campus abdecken. Dann könnte man sogar - selbst
wenn man die Vorlesungspause zu einem Picknick im Freien nutzt - mit Handy
und Laptop noch die neuesten technischen Errungenschaften wie das Internet
nutzen, um ständig am Ball zu bleiben. Die zukünftige Elite wird sich
gleich daran gewöhnen, dass überall und zu jeder Zeit gearbeitet werden
muss. Dass dabei die soziale Kompetenz auf der Strecke bleiben könnte,
wird anscheinend nicht bedacht.
... und wo kommt es her?
Die Studierenden müssen im Jahr allein an Studiengebühren umgerechnet
ca. 15.000 DM aufbringen. Nicht zu vernachlässigen sind auch die zusätzlichen
Ausgaben, die für die Studierenden bestehen. Nach Angaben des Studentenwerks
in Hamburg betragen die einfachen Lebenshaltungskosten für eineN StudierendeN
ca. 1.400 DM pro Monat.
Zusätzlich entstehen auch studieninterne Nebenkosten. Als Beispiel soll
hier nur das anzuschaffende Laptop dienen: Die diversen Presseberichte
in Hamburg - des Lobes natürlich voll - erweckten den Eindruck, dass die
Studierenden zu Beginn ihres Studiums ein Laptop von der BLS geschenkt
bekamen. Dies entspricht allerdings nicht der Realität. Die Geräte waren
keine selbstlose Gabe von der BLS, sondern mussten von den Studierenden
selbst angeschafft werden. Dass dies aufgrund von SponsorInnengeldern
günstiger war, erscheint da als schwacher Trost. Aber wahrscheinlich erschien
den Studierenden der Preis angesichts der Studiengebühren auch geradezu
lächerlich, was sicherlich marketingstrategisch als sehr sinnvoll zu bewerten
ist!
Jedenfalls ist die Law School ein ziemlich teurer Spaß. Für diejenigen,
die von zuhause aus nicht so gut ausgestattet sind, bietet die BLS drei
Möglichkeiten der Finanzierungsbeihilfe an:
Zum einen bekommen die Studierenden die Möglichkeit, zinsgünstige Darlehen
der Hamburger Sparkasse - eine Sponsorin der Law School - in Anspruch
zu nehmen. Wer das nicht mag, kann auf ein sehr interessantes und schön
betiteltes Finanzierungsmodell zurückgreifen: den umgekehrten Generationenvertrag.
Aus diesem können sich die Studierenden während ihres Studiums bedienen,
um danach - sofern sie berufstätig werden - ihrem Einkommen gemäß in diesen
Topf wieder einzahlen zu müssen. Dazu können sich alle BAFöG-EmpfängerInnen
(Höchstsatz 1.140 DM) freuen, dass ihnen ein Stipendium in Höhe der Hälfte
der Studiengebühren gewährt wird. Soweit die Theorie. Die Realität sieht
allerdings vollkommen anders aus. Ein Großteil der Studierenden greift
auf keines der erwähnten Finanzierungsmodelle zurück. Stipendien sind
im ersten "Durchgang" niemandem gewährt worden, und nur etwa ein Drittel
der Studierenden nimmt den umgekehrten Generationenvertrag oder ein zinsgünstiges
Darlehen in Anspruch.
Die Beteuerung der BLS, auf das Geld käme es nicht an, es gäbe ausreichend
Finanzierungsmodelle für finanziell schlechter gestellte Interessierte,
vermag nicht zu überzeugen. Zum einen wirkt die hohe Summe der Studiengebühren
schon bei der Bewerbung abschreckend, da niemals mit Gewissheit davon
ausgegangen werden kann, dass man tatsächlich in eine finanzierungswürdige
Gruppe fällt. Zum anderen sind die oben dargestellten Finanzierungshilfen
vollkommen unzureichend: Halbstipendien sind eben nur halbe Beihilfen,
und zinsgünstige Darlehen sowie der umgekehrte Generationenvertrag verschieben
lediglich den Zeitpunkt der Kostenbelastung. Und es ist unbestritten,
dass ein Berufsanfang mit einer Schuldenlast von 50.000 DM oder mehr ein
sehr schwieriger ist. Somit werden es in erster Linie die oberen Klassen
sein, die ihre Zöglinge zur BLS schicken. Der proklamierte freie Zugang
wird nur in wenigen Fällen tatsächlich verwirklicht. Durch die hohen Studiengebühren
wird schon eine soziale Vorauswahl getroffen.
Probleme zwischen Universität und BLS
Wie schon am Anfang kurz angedeutet sieht sich die Law School auch als
Teil einer Mission zur Behebung des im Eingangszitat diagnostizierten
angeblichen Missstands. Sie betrachtet sich als Gegenentwurf zur trägen,
wettbewerbsunfähigen und - am schlimmsten - Massenuniversität. Ziel ist
dabei, dass sich dieser Gegenentwurf nicht nur in der Praxis bewährt und
ansonsten friedlich neben den herkömmlichen Universitäten seinen wettbewerbsgeprägten
Geschäften nachgeht. Im Gegenteil wird immer wieder beschworen, dass die
staatlichen Universitäten durch den plötzlich auftauchenden Wettbewerbs-
und Konkurrenzdruck anfangen würden, sich zu reformieren und dadurch ebenfalls
zu verbessern. Dass diese "Verbesserungen" nicht im Hinblick auf das Ziel
"Bildung für alle" gedacht sind, ist klar. Es ist aber ohnehin zweifelhaft,
ob es überhaupt Auswirkungen irgendeiner Art geben wird, die als Verbesserungen
angesehen werden könnten.
Voraussetzung dafür, dass sich die staatlichen Hochschulen überhaupt in
einen Konkurrenzkampf begeben könnten, wäre eine wesentlich verbesserte
finanzielle Ausstattung. Auf dem Mangel an Geld beruhen die Mängel der
herkömmlichen Fakultäten: die Ausstattung mit Büchern und anderen - vielleicht
sogar modernen multimedialen - Arbeitsmitteln bleibt zunehmend hinter
dem aktuellen Stand zurück. Bibliotheksplätze sind knapp. Und die Einführung
von besseren Betreuungsverhältnissen ist gerade wieder in der JustizministerInnenkonferenz
gescheitert. (Das wäre allerdings ohnehin mit dem Abbau von Studienplätzen
verbunden gewesen.)
Eher ist zu befürchten, dass der Staat sich weiter aus seiner Finanzierungsverantwortung
zurückziehen wird, wenn sich mehr private Schulen etablieren. Der Traum,
es würden mehr öffentliche Mittel an die Universitäten fließen, um die
Konkurrenzfähigkeit zu wahren, bleibt eben nur ein Traum.
Dazu kommt, dass die Law School sogar noch öffentliches Geld kosten wird.
Direkte Mittelzuweisungen wird es im Gegensatz zu anderen Privatunis zwar
auf absehbare Zeit nicht geben. Aber es wäre auch falsch zu behaupten,
dass die Bucerius Law School überhaupt keine staatlichen Mittel in Anspruch
nimmt. Zwischen dem Fachschaftsrat des Uni-Fachbereichs und den VertreterInnen
der Law School besteht schon von Beginn an der Streit, ob die Studierenden
der privaten Hochschule die staatlichen Bibliotheken in Anspruch nehmen
werden (müssen). Dies wird von der Law School natürlich bestritten. Die
Erfahrung zeigt jedoch, dass selbst in gut unterhaltenen Universitätsbibliotheken
selbst wichtige Literatur oft kaum in ausreichender Menge zur Verfügung
steht. Die Prognose für die weitgehende Autarkie der Law School muss also
fast zwingend negativ sein, zumal sie die Vielfältigkeit der Uni-Bibliotheken
nicht gewährleisten kann.
In jedem Fall nehmen aber auch die Studierenden der Law School die staatliche
Prüfungsinfrastruktur in Anspruch, denn auch sie wollen ihre Staatsexamina
machen. Dies verursacht Kosten, die die Law School nicht ausgleicht. Dazu
kommt dann das Referendariat. Dabei pfeift Hamburg, was Korrekturzeiten
und Wartezeiten aufs Referendariat angeht, ohnehin auf dem letzten Loch.
Neue Lehren für die Lehre
Und wie sieht es mit den Innovationen in der Lehre aus, die sich aus
der Konkurrenzsituation ergeben könnten? Der Uni-Fachbereich fährt zu
diesem Thema eine Art Schlingerkurs. Auf der einen Seite wird die schlichte
Möglichkeit des Entstehens einer Konkurrenzsituation kategorisch bestritten.
Die Argumentation beruht dabei darauf, dass die Law School sich von Anfang
an die besten Studierenden aussuchen könne, während die Universität eben
alle ausbilden müsse, die eine Zugangsberechtigung bekommen. Außerdem
könne sich die Law School bedeutend kleinere Gruppen leisten und habe
durch Sponsoring viel bessere Ausstattungsmöglichkeiten.
Auf der anderen Seite wird von professoraler Seite langsam damit begonnen,
Änderungsvorhaben mit der Konkurrenz zur Law School zu begründen. Es könnte
nun der Eindruck entstehen, durch die pure Anwesenheit der Law School
sei tatsächlich der staatliche Hochschul-Moloch in Bewegung geraten. Die
in Hamburg angedachten Projekte haben aber sämtlich einen anderen Hintergrund.
Die Einführung von Leistungspunktsystemen ist ohnehin in Mode und ebenso
wie die Schaffung von zusätzlichen universitären Zwischenabschlüssen und
die Wiederbelebung von Zwischenprüfungen im Hochschulrahmengesetz vorgesehen.
An wirklich grundsätzlichen Dingen hat auch die Law School nicht viel
geändert und wird deshalb dazu auch keinen staatlichen Fachbereich veranlassen.
An der Vorlesung als ungeeignetem Mittelpunkt des Ausbildungssystem hat
im Grundsatz auch die Law School festgehalten.
Inhaltlich gibt sich die BLS ansonsten Mühe, dem Klischee der wirtschaftsnahen
und wirtschaftsfixierten Privathochschule zu entsprechen. So bringt sie
sich in die aktuelle Studienreformdiskussion in Hamburg damit ein, dass
sie als erstes einen Wahlschwerpunkt "Wirtschaftsstrafrecht" fordert.
Es wird eben Zeit, dass auch die armen Wirtschaftskriminellen mal ein
paar engagierte AnwältInnen bekommen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt...
Fazit
Die Law School ist leider da, und daran wird sich in absehbarer Zukunft
nichts ändern. Es bleibt abzuwarten, in welchem Maße sie einen negativen
Einfluss auf die staatliche Universität haben wird. Aber es gibt ja immerhin
an der Uni noch Studierendenvertretungen und auch ein paar akademische
Gremien - Mitbestimmungsmöglichkeiten, mit denen hoffentlich noch teilweise
korrigierend eingegriffen werden kann.
Kawus Klapp und Jan Gehrken leben und studieren in Hamburg.
Im Fachschaftsrat setzen sie sich dort von Anfang an mit dem Projekt Law
School auseinander.
Die Bucerius Law School im Netz: www.law-school.de.
|
|