Heft 2/2000:
Mächtig organisiert - Die neue Weltordnung
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Fehler im System?
 

Die Nummer EP 695 351 sorgt derzeit für Wirbel. Unter diesem Aktenzeichen hat das Europäische Patentamt (EPA) in München der australischen Firma Stem Cell Sciences und der Universität Edinburgh ein Patent auf eine Klonierungstechnik erteilt. Dieses Patent schließt auch die Konstruktion gentechnisch veränderter Menschen und die genmanipulierten Menschen selbst mit ein. Das EPA spricht von einem Fehler und bedauert ihn, kann ihn aber nicht mehr rückgängig machen. Das Patent ist am 8. Dezember 1999 rechtskräftig geworden.
Die dadurch verursachte Aufregung kommt nicht von ungefähr, denn mit der Vergabe hat das EPA (erneut) gegen seine eigenen Richtlinien verstoßen, die es untersagen, Patente für die Manipulation menschlichen Erbgutes zu erteilen.
Vieles deutet darauf hin, dass das Problem hausgemacht ist. Das EPA ist der derzeitigen Flut der Anträge nicht gewachsen. KritikerInnen bezeichnen die Verwaltungspraxis daher eher als "Erteilung" denn als "Prüfung".
Um die Kontrolle der Arbeit des EPA steht es nicht besser. Seine Existenzberechtigung ist ein über den EU-Vertrag hinausgehendes Abkommen. Mitglied im Patentamt sind 19 Staaten. Über Einsprüche gegen Patente entscheidet eine Beschwerdekammer, ihr übergeordnet ist die oberste Beschwerdekammer. Eine gerichtliche Kontrolle von "außen" findet nicht statt.
Das Interesse an einer zurückhaltenden Vergabepraxis ist ohnehin gering. Das EPA - der Idee nach ein "Non-Profit-Unternehmen" - leitet seine Gewinne aus den Vergabegebühren an die Mitgliedsstaaten weiter. Diese Summen werden beständig größer. Sie lagen 1995 für die Bundesrepublik bei 70 Mio. DM. Kaum jemand wird also auf eine großzügige Vergabe verzichten wollen, zumal dann schnell der Erhalt von Arbeitsplätzen in High-Tech-Branchen gefährdet erscheint.
Kunden des EPA sind vor allem die multinationalen Konzerne, unter ihnen viele aus dem Bio-Tech- und Pharma-Sektor. Dadurch sind sie mittelbar Geldgeber für die Politik. Spätestens hier beginnt die Grenze zwischen KontrolleurInnen und Kontrollierten zu verschwimmen.
Mit der Vergabe des Patents EP 695 351 ist die Öffentlichkeit erstmals in nennenswertem Umfang auf die Sprengkraft aufmerksam geworden, die hinter der fortschreitenden Kommerzialisierung menschlicher Gene steckt. Im Sommer wird das multilaterale Patentübereinkommen modifiziert, weil weitere Staaten aus Osteuropa Mitglieder werden sollen. Dann müssen Kontrollen und Regelungen geschaffen werden, die "Verwaltungsfehler" zukünftig ausschließen.

Markus Detjen, Hamburg