Heft 4 / 2001:
grenzenlos beschränkt
MigrantInnenpolitik in BRD und Europa
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Anna Luczak Zum ersten Artikel des Schwerpunkts Zur Rubrik Ausbildung Zur Rubrik Recht kurz Zum Sammelsurium Zur Rubrik Politische Justiz Zur BAKJ-Seite
Wir bieten einen Vergleich an
 

Vergleiche in Rechtsstreitigkeiten sind an der Tagesordnung. Ob vor den Zivilgerichten oder im Verwaltungsrechtsstreit: Der Vergleich wird allenthalben als verkürzendes, kostensparendes und unaufwendiges Instrument genutzt, ein Verfahren ohne gerichtliche Entscheidung zu einem Ergebnis zu bringen. Sogar am Strafgericht wird informell gedealt, also zwischen den Verfahrensbeteiligten als Gegenleistung für ein Geständnis ein bestimmtes Strafmaß vereinbart.

Neu ist allerdings, dass jetzt auch das Bundesverfassungsgericht den Vergleich für sich entdeckt hat. Es hat am 20. Juli 2001 im Verfahren um den Religionsunterricht und die Einführung des Schulfachs Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER) in Brandenburg von sich aus den Beteiligten den Vorschlag unterbreitet, sie mögen sich doch einvernehmlich verständigen.

Bislang haben die Beteiligten sich noch nicht geäußert, die Frist für diesbezügliche Erklärungen läuft bis zum 5. November 2001. Als Beschwerdeführer und Beschwerdeführerinnen in dem Verfahren, das jetzt so unorthodox zu Ende geführt werden soll, müssen über ein derartiges Vorgehen jetzt Kirchen, Schülerinnen und Schüler, deren Eltern sowie die CDU/CSU-Bundestagsfraktion entscheiden. Sie wollten erreichen, dass das in den anderen Bundesländern geltende Prinzip des obligatorischen Religionsunterrichts und des Ersatzunterrichts für nicht konfessionell gebundene Schülerinnen und Schüler an die Stelle des umgekehrten Regel-Ausnahme-Verhältnisses in Brandenburg tritt.

Das Land, das den bisherigen Rechtszustand beibehalten wollte, argumentierte historisch mit der Entwicklung in Bezug auf Religionsunterricht und LER und praktisch damit, dass alle, die das wollen, auch Religionsunterricht besuchen können.

Mit Art. 7 Grundgesetz (GG), wonach Religionsunterricht grundsätzlich ordentliches Lehrfach ist, und Ausnahmen für bekenntnisfreie Schulen und in Art. 141 GG bietet das Verfassungsrecht klar benennbare Grundlagen für eine gerichtliche Entscheidung. Danach gehört dieses Verfahren also nicht zu denjenigen, bei denen wegen fehlender eindeutiger verfassungsrechtlicher Vorgaben die Frage nahe lag, wieso das Bundesverfassungsgericht anstelle der Politik entscheiden sollte. Um so verwunderlicher ist es, daß das Gericht in diesem Fall auf seine Entscheidungskompetenz in Verfassungsfragen verzichten will.

Anna Luczak, Freiburg.