Heft 2 / 2002:
Wach- und Schließgesellschaft
Konsequenzen der Kriminalisierungspolitik
xxx

Markus Detjen Zum ersten Artikel des Schwerpunkts Zum ersten Artikel des Forums Zur Rubrik Ausbildung Zur Rubrik Recht kurz Zum Sammelsurium Zur Rubrik Politische Justiz Zur BAKJ-Seite
Dienste außer Kontrolle
 

Telefonüberwachung ist heutzutage das alltägliche Geschäft von Geheimdiensten; so auch in Nordrhein-Westfalen. Für mehr als ein Jahr hatten die Dienste des Landes dabei jedoch mehr Freiheiten als gemeinhin üblich. Von September 2000 bis Dezember 2001 war die für die Kontrolle der Überwachungsmaßnahmen zuständige G10-Kommission des Landtags in Düsseldorf unbesetzt. Zwar hatten alle Fraktionen ihre Kandidat/inn/en benannt, nur war es der SPD-Fraktion über Monate nicht gelungen, eine Person für den von ihr zu besetzenden Vorsitz zu finden. Die alte G10-Kommission blieb nach der Landtagswahl im Mai 2000 noch die gesetzlich möglichen drei Monate kommissarisch im Amt. Das neue Gremium konstituierte sich dann erst am 19. Dezember 2001, knapp 15 Monate später.

Die G10-Kommissionen von Bund und Ländern sollen die Rückkoppelung der Geheimdienste mit dem Parlament bei Einschränkungen der Post- und Fernmeldefreiheit aus Art. 10 GG sicherzustellen. Aufgabe der G10-Kommissionen ist es, bei Beschränkungsmaßnahmen mitzuwirken, Beschwerden betroffener Bürger/innen aufzunehmen, die Einhaltung des G10-Gesetzes zu prüfen und über die Benachrichtigung von Betroffenen zu entscheiden. Sie ersetzt damit auch die sonst für Hoheitsakte vorgesehene richterliche Kontrolle. Vorsitzende/r des G10-Gremiums muss eine Person sein, die die Befähigung zum Richter/innen/amt hat.

Dass Politiker aller Couleur das Fehlen der gesetzlich vorgeschriebenen Kontrolle als "Skandal" bezeichnen, ist verständlich. Denn mit einer solchen Panne fällt auch das letzte Feigenblatt der Geheimdienste. Mit der Einrichtung der Überwachungsgremien (neben der G10-Kommission auch das Parlamentarische Kontrollgremium - PKG - zur Überwachung der allgemeinen Arbeit der Geheimdienste) wird ihre Existenz legitimiert und gleichsam ein "Schutz" vor Geheimdiensten suggeriert, den es für Verdächtige nicht geben soll und für alle anderen nicht geben kann. Diese Instanzen kaschieren, dass Verfassungsschutzbehörden, Bundesnachrichtendienst (BND) und Militärischer Abschirmdienst (MAD) nahezu unkontrolliert ihrer Arbeit nachgehen können. Auf der einen Seite können die überwachenden Parlamentarier/innen nur stichprobenartig Einblicke nehmen, zum anderen ist es den Geheimdiensten wesenseigen, dass sie intransparent arbeiten und damit per se nicht zu beaufsichtigen sind.

Einige Telefonüberwachungsmaßnahmen wurden trotz der Vakanz ohne Genehmigung durchgeführt. Sie mussten nun im Nachhinein genehmigt werden. Ob sie deshalb illegal gewesen sind, ist bisher noch offen. Einen Präzedenzfall gibt es nicht.

Markus Detjen, Hamburg.