Heft 2 / 2002:
Wach- und Schließgesellschaft
Konsequenzen der Kriminalisierungspolitik
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Zum Stand des NPD-Verbots
 

Wer Verschwörungstheorien mag, wird sich beim Spektakel um das NPD-Verbot folgende Fragen gestellt haben: Ist die NPD Vorfeldorganisation des Verfassungsschutzes (VS) oder gar umgekehrt, der VS Kaderschule für Neonazigruppierungen ? Das NPD-Verbotsverfahren könnte jedenfalls nach der Enttarnung einiger Vertrauensmänner (sog. V-Leute) des Inlandgeheimdienstes, deren Aktivitäten als Beleg für die Verfassungswidrigkeit der Partei dienen sollten, zum Fiasko werden.

Das Bundesverfassungsgericht selbst lies die "Bombe" am 22.1.2002 platzen: Alle Verhandlungstermine sollen bis auf weiteres ausgesetzt werden, denn Wolfgang Frenz, ehemaliger stellvertretender Landesvorsitzender der nordrhein-westfälischen NPD und Autor des Buches "Verlust der Väterlichkeit oder Das Jahrhundert der Juden", sollte durch Aussagen wie "Wenn es Auschwitz nicht gegeben hätte müsste es für die Juden von heute erfunden werden. Denn Auschwitz ist die Machtergreifung durch das vernetzte Judentum." Beweis für den in der NPD vorherrschenden Antisemitismus sein. Jedoch war Frenz nicht nur von "Beruf Neonazi", sondern auch jahrelang Spitzel für den VS. Die Schlußfolgerung schlägt sofort ins Gesicht: Wie weit sind VS-Spitzel, Provokateure, verdeckte ErmittlerInnen selbst InitiatorInnen von Straftaten innerhalb der NPD ? Werden die Beweise für ein Verbot der NPD staatlich geschaffen ?

Die Fragen können wohl bejaht werden, denn die Enttarnung von Wolfgang Frenz war erst der Anfang. Neben dem nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden der NPD Udo Holtmann wurden auch die beiden Neonazis und Mitglieder der Jungen Nationaldemokraten (JN), der Nachwuchsorganisation der NPD, Thorsten Crämer und Nico Wedding als V-Leute identifiziert. Die beiden Letztgenannten waren beteiligt an einem Überfall im Jahr 2000 auf BesucherInnen einer KZ-Gedenkstätte in Wuppertal. Dabei gab es mehrere Verletzte. Damit aber nicht genug, denn im Februar wurden acht weitere V-Leute bekannt.

Die mediale Diskussion um diesen Skandal zielte jedoch nicht darauf ab, den Einsatz von V-Leuten, verdeckten Ermittlern oder den Verfassungsschutz an sich in Frage zu stellen. Vielmehr wurde bekräftigt, daß weiterhin "zum Wohle der Demokratie" die letztlich vollkommen unkontrollierbaren Geheimdienste bestehen bleiben müssen oder der ganze Skandal wurde einfach parteipolitisch ausgeschlachtet, wie Angela Merkel (CDU) es formulierte: "Schily hat sein Haus nicht unter Kontrolle".

Die Neonazis frohlocken hingegen und können sich sogar noch entschulden, denn nach eigenen Aussagen verhält sich die Partei brav und rechtsstaatlich, während die "Ausfälle" vom Verfassungsschutz gesteuert werden.
Die Bundesregierung hält an dem Verbotsantrag fest, bleibt also abzuwarten wie der neue überarbeitet Schriftsatz vom BVerfG bewertet wird. Eine dicke Delle hat der tendenziell richtige Schritt, Neonazis die offiziellen Strukturen zu entziehen, auf jeden Fall.

Marek Schauer, Berlin.