Heft 2 / 2002:
Wach- und Schließgesellschaft
Konsequenzen der Kriminalisierungspolitik
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Kriegsgefangene oder Kriminelle?
 

Die Bilder vom US-Stützpunkt Guantanamo Bay, auf denen gefangene Taliban und Al Qaida Kämpfer in Käfigen gehalten werden, lösten in der ganzen Welt Unverständnis und Entsetzen aus. Die Forderung die Gefangenen nach den Normen der Genfer Konvention von 1949 zu behandeln, wurde von der US-Regierung abgelehnt. Nach dem Rechtsverständnis der USA handelt es sich bei den Gefangenen auf Guantanamo um sogenannte "illegale Kombattanten". Diesen Begriff kennt das humanitäre Völkerrecht aber nicht. In der Genfer Konvention wird lediglich zwischen Kombattanten, denen die Rechte von Kriegsgefangenen zustehen, und Zivilpersonen unterschieden. Besteht Unklarheit über den Status einer Person muß gemäß Art. 5 der Konvention ein zuständiges Gericht die Rechtsstellung der Gefangenen feststellen. Bis zu dieser Feststellung sind die betroffenen Personen wie Kombattanten zu behandeln und genießen alle Rechte von Kriegsgefangenen. Diese Feststellung wurde im Fall der Guantanamo-Gefangenen von den Juristen im Pentagon ohne Gerichtsverfahren getroffen. Die Rechtsauffassung des Pentagons beruht auf einem Präzedenz-Fall des Obersten Gerichtshofes aus dem Jahre 1942 in dem mehrere deutsche Spione durch ein US-Militärgericht als "illegale Kombattanten" eingestuft und zum Tode verurteilt wurden. Da die USA aber die Genfer Konvention von 1949 ratifiziert haben, müssen sie diese gemäß Art. 1 unter allen Umständen einhalten. Folgt man den Normen der Genfer Konvention, würden die gefangenen Taliban gemäß Art. 4 als Mitglieder der Streitkräfte Afghanistans einzuordnen sein und sich somit als Kriegsgefangene qualifizieren. Der rechtliche Status der Al Qaida Gefangenen ist problematischer. Einige könnte man sicherlich ebenfalls als Kombattanten im Sinne von Art. 4 betrachten, wenn sie sich als Mitglied einer Miliz qualifizieren. Diejenigen Gefangenen, die nicht unter Art. 4 fallen sind als Zivilpersonen einzustufen und müßten vor ordentlichen Gerichten als "gewöhnliche Kriminelle" angeklagt werden. Diese hätten dann die Rechte eines Angeklagten, die der amerikanische Rechtsstaat vorsieht: rechtlichen Beistand, Berufungsmöglichkeiten und ein unabhängiges Gericht. Die summarischen Verfahren vor Sonder-Tribunalen, die bisher vorgesehen sind, erfüllen diese Kriterien sicherlich nicht. Die US-Regierung ignoriert und bricht folglich das geltende Völkerrecht. Aber auch die mit den USA verbündeten Staaten, darunter auch Deutschland, könnten bereits das geltende Völkerrecht verletzt haben, sollten sie gefangene Taliban an die USA ausgeliefert haben. Nach Art. 12 der Konvention müßten die verbündeten Staaten nämlich bei der Auslieferung sicherstellen, daß die USA willens ist, die Genfer Konvention anzuwenden.

David Zechmeister, Hamburg.