Heft 2 / 2002:
Wach- und Schließgesellschaft
Konsequenzen der Kriminalisierungspolitik
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Regelanfrage bei Einbürgerung
 

Eine Anfrage der PDS-Abgeordneten im Bundestag Ulla Jelpke hat ergeben, dass jede Person, die sich in Deutschland einbürgern will, zuvor generell vom Verfassungsschutz überprüft wird. Ein konkreter Verdacht ist für diese Anfrage nicht erforderlich.

Bisher war nur bekannt, dass Bayern ein solches Verfahren seit 1998 anwendet und darauf gestützt über 200 Einbürgerungsanträge abgewiesen hat. Inzwischen üben alle Bundesländer -- bis auf Sachsen - diese Praxis aus; jedoch bereitet sich auch Sachsen auf die Durchführung der Regelanfrage vor.
Als Rechtsgrundlage wird dafür § 85 I 1 Nr. 1 Ausländergesetz angeführt. Voraussetzung für eine Einbürgerung ist hiernach, dass keine verfassungsfeindliche oder extremistische Betätigung des/der BewerberIn vorliegt. Ist der Person ein solches Verhalten nachzuweisen, so muss der/die Einbürgerungswillige glaubhaft machen, sich von dieser Art Bestrebungen abgewandt zu haben. Die Regelung ist durch die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts im Juli 1999 geschaffen worden.

KritikerInnen dieser Praxis wehren sich vor allen Dingen gegen den dadurch erzeugten Pauschalverdacht gegenüber einbürgerungswilligen AusländerInnen. Die bestehende Unschuldsvermutung wird so ausgehebelt. Auch die ungehinderte Datenweitergabe zwischen den beteiligten Behörden stößt auf Bedenken. Die Anfrage beim Verfassungsschutz sollte nur in den Fällen geschehen, in denen ein begründeter Verdacht gegen den/die EinzubürgerndeN besteht.

Auch in anderer Hinsicht ist das Vorgehen verfassungsrechtlich angreifbar: Zum einen wird das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 I i. V. m. 1 I Grundgesetz (GG) verletzt, da das Sammeln von Daten ohne konkreten Verdachtsmoment gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Außerdem ist ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 I GG anzunehmen, da für die Differenzierung zwischen Deutschen und Nichtdeutschen kein sachlicher Grund besteht. Ebenso ist eine unterschiedliche Behandlung von Einbürgerungswilligen und anderen AusländerInnen nicht gerechtfertigt. Die Behauptung einer unterschiedlich großen Gefährlichkeit aller drei Gruppen ist schwer bzw. nicht zu begründen.

Dennoch gibt es wenig Bestrebungen, das aktuelle Vorgehen einzuschränken. Stattdessen kommt - wiederum aus Bayern - die Initiative, die Regelanfrage beim Verfassungsschutz ebenso bei der Einreise, also bei der Erteilung von Visa durchzuführen. Dabei wird die Praktikabilität eines solchen Datenverarbeitungsaufwands vollkommen übersehen. Dennoch findet sich eine ähnliche Regelung im gerade verabschiedeten neuen Zuwanderungsgesetz.

Kawus Klapp, Hamburg.