Heft 2 / 2002: Wach- und Schließgesellschaft Konsequenzen der Kriminalisierungspolitik |
Stephen Rehmke | |
Telefongespräche werden ausgespäht | |
JournalistInnen werden seit Anfang des Jahres durch zwei neue Regelungen in der Strafprozessordnung (StPO) zu unfreiwilligen Hilfssheriffs der Polizei ernannt. Mit den Paragraphen 100g und 100h StPO können die Ermittlungsbehörden Auskunft von Telekommunikationsunternehmen darüber verlangen, wer wann mit wem wie lange kommuniziert hat. Dabei werden zwar nicht die Gesprächsinhalte überwacht, aber sämtliche Verbindungsdaten von Telefongesprächen sowie Fax- und E-mail-Kontakten ermittelt. Der kriminalistischen Praxis sind die neuen Strafverfahrensregeln allerdings nicht fremd. Schon in § 12 des Fernmeldeanlagengesetzes (FAG) fand sich eine ähnlich lautende Ermächtigungsgrundlage, derer sich beispielsweise das Bundeskriminalamt gerne bediente. So führten die Verbindungsdaten des privaten Telefonanschlusses der Stern-Autorin Edith Kohn auf die Spur des Ex-Terroristen Hans-Joachim Klein und die Kommunikationsdaten einer Redaktion des ZDF zu einem Mittelsmann des Pleitebaulöwen Jürgen Schneider. Nun lief die Regelung des FAG zum Ende des letzten Jahres aus und machte aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden die Nachfolgeregelung nötig. Auch die Neufassung verschont die ansonsten zeugnisverweigerungsberechtigten JournalistInnen vom Spähangriff nicht und torpediert den für die Unabhängigkeit ihrer Arbeit bedeutsamen InformantInnenschutz. Aber nicht nur die Pressefreiheit wird durch den massiven Eingriff in das Fernmeldegeheimnis in verfassungswidriger Weise eingeschränkt, sondern auch einmal mehr das Recht der Einzelnen auf ihre informationelle Selbstbestimmung: Die in der Regelung enthaltene sogenannte Zielwahlsuche, bei der die Netzbetreiber herausfinden müssen, wer in der Vergangenheit bei der observierten Person angerufen hat, ähnelt dem Prinzip der Rasterfahndung. Denn die Aufzeichnungen der Anbieter orientieren sich immer an der Kommunikationsquelle, und nicht an deren Ziel. Deshalb, so der Datenschutzbeauftragte der Deutschen Telekom, müssen wegen einer überwachten Person sämtliche Verbindungen aller anderen TeilnehmerInnen abgeglichen werden. Verfassungsrechtlich ähnlich zu bewerten ist die nach der Vorschrift ebenfalls mögliche Standorterkennung betriebsbereiter Mobiltelefone. Die Handys werden hierbei zu regelrechten Bewegungsmeldern umfunktioniert, die es ermöglichen, ein gewisses Bewegungsbild der NutzerInnen zu zeichnen. Der Kritik begegnet die Bundesregierung mit einer Befristung der Regelung auf zunächst drei Jahre. Danach soll sorgfältig geprüft werden, ob sich die neuen Strafverfahrensvorschriften in der Praxis bewährt haben - bei dem über mehrere Jahre geltenden § 12 FAG ist das wohl offensichtlich versäumt wurden... Stephen Rehmke, Hamburg.
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