Heft 4 / 2002:
Aus dem Westen was Neues
Interessenpolitik durch Rechtsexport
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Neue Rauchzeichen vom BVerfG
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zeigt eine weichere Linie im Umgang mit CannabiskonsumentInnen.
 

Die bisher gängige Praxis der Führerscheinbehörden, CannabiskonsumentInnen generell die Geeignetheit zum Autofahren abzusprechen und ihre Fahrerlaubnis zu entziehen, hat das BVerfG im Juni 02 für verfassungswidrig erklärt. Im zugrundeliegenden Fall waren bei einem Freiburger Autofahrer fünf Gramm Haschisch gefunden worden. Ihm wurde, nachdem er sich geweigert hatte Urintest durchführen zu lassen, die Fahrerlaubnis entzogen; ob er unter Drogeneinfluss gefahren war, blieb unklar. Das Entziehen der Fahrerlaubnis verstößt, so das BVerfG, gegen das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit, da bereits die Aufforderung zu Drogentests verfassungswidrig ist. Alleine der gelegentliche Konsum von Cannabis reiche nämlich noch nicht aus, an der generellen Geeignetheit zum Führen eines Fahrzeugs zu zweifeln. Mit einer anderen Entscheidung macht das BVerfG deutlich, wann ein solcher Verdacht gegeben ist: Wenn z.B. im Aschenbecher eines Fahrzeugs Jointreste gefunden werden, also offensichtlich gerade gekifft wurde, darf ermittelt werden, ob der/die FahrerIn zum bekifften Fahrzeugführen neigt und schließlich der Führerschein eingezogen werden.
Unter Cannabiseinfluss darf man also weiterhin nicht Autofahren, jedoch wurden, so das BVerfG, die Gefahren des Cannabiskonsums jahrelang überschätzt. Diese Anmerkung lässt aufhorchen, denn das BVerfG wird bald wieder darüber entscheiden, ob der Umgang der Rechtspraxis mit CannabiskonsumentInnen generell verfassungswidrig ist. Ein Jugendstrafrichter aus dem Brandenburgischen Bernau sieht in der Strafbewehrung des Umgangs mit Cannabisprodukten jeglicher Art und Menge durch das Betäubungsmittelgesetz das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 I GG), die Freiheit der Person (Art. 2 II 2 GG) und den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 I GG) verletzt. Er mahnt in dem Vorlagebeschluss einen bundesweit einheitlichen Umgang mit CannabiskonsumentInnen an; auch prangert er die Ungleichbehandlung von Cannabis und dem viel gefährlicheren Alkohol an und sieht einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 I GG. Alkoholkonsum führe nämlich nicht nur im Straßenverkehr zu größeren Schäden und Gefahren als Cannabiskonsum. Auf letzteres wies auch ein Rechtsmediziner in einem Gutachten zum Urteil vom Juni hin, so dass es durchaus realistisch erscheint, dass die nun überwundene Cannabis-Panik des BVerfG zu einer weiteren Aufweichung der Cannabis-Strafbewehrung führt.

Hubert Lautenbach, Berlin

Quellen:
BVerfG-Urteil vom 20.06.2002 - 1 BvR 2062/96.