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Mehrere von Mitte des Jahres auf den Weg gebrachten Gesetzen bzw. Gesetzesvorhaben
sollen die Überwachungsmöglichkeiten im Bereich der Telekommunikation
deutlich erweitern. So etwa ein Ende Mai verabschiedeter Entwurf des Bundesrats,
wonach der Polizei die Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten für
sechs Monate ermöglicht werden soll. Mittels Änderungen u.a. des Telekommunikationsgesetzes
sollen diese umfangreichen Zugriff auf Daten aus Festnetz- und Mobiltelefon-,
SMS-, Fax- und Internetkommunikation erhalten.
Das heißt, daß die Daten gespeichert werden, damit Ermittlingsbehörden
bei Bedarf darauf zugreifen können. Dies steht dem vom Bundesverfassungsgericht
im Volkszählungsurteil aufgestellten Grundsatz entgegen, dass eine Vorratsspeicherung
von Daten zu unbestimmten Zwecken verfassungswidrig ist.
Die Bundesregierung äußerte sich in ihrer Stellungnahme zu dem Entwurf
zurückhaltend, lehnte ihn jedoch nicht völlig ab. Nunmehr hat der Bundestag
darüber zu beschließen, was allerdings vor der Wahl nicht mehr zu erwarten
ist.
Thüringen, das neben Bayern den Entwurf initiierte, hat mit einem im Juni
verabschiedeten Gesetz als erstes Bundesland die präventive Telefonüberwachung
eingeführt. Danach kann die Polizei bundesweit Telefonate und E-mailverkehr
abhören sowie Verbindungsdaten und -orte feststellen, sofern in Thüringen
die konkrete Gefahr einer geplanten Straftat besteht. Ähnliche Änderungen
ihrer Polizeigesetze planen auch Hamburg und Baden-Württemberg.
Mit der im Mai still und leise verabschiedeten Neufassung des § 100 i
Strafprozessordnung wurde schließlich der - bislang ohne Rechtsgrundlage
ohnehin praktizierte - Einsatz so genannter IMSI-Catcher durch die Polizei
legalisiert. Damit können u.a. die Gerätenummern und die Standorte von
Mobiltelefonen recht genau erfasst werden. Der unionsdominierte Rechtsausschuss
des Bundesrats kritisierte die Regelung als nicht weitgehend genug; sie
müsse bei allen "Straftaten von erheblicher Bedeutung" greifen.
Mit der Ausweitung von Überwachungsmöglichkeiten steht die Bundesrepublik
keineswegs alleine. Eine im Juni verabschiedete EU-Richtlinie gestattet
den Mitgliedsstaaten der EU, die Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten
zu Strafverfolgungszwecken einzuführen. Die dänische EU-Ratspräsidentschaft
will daraus sogar eine verpflichtende Vorratsspeicherung für ein Jahr
machen.
Auf Bundesebene ebenso wie europaweit ist demnach - gleich welchen Ausgang
die Bundestagswahlen nehmen - künftig mit einem noch weiteren Ausbau von
Überwachungsmöglichkeiten zu rechnen.
Tanja Nitschke, Nürnberg
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