Heft 4 / 1999:
Verfassungspotentiale?
50 Jahre Grundgesetz
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Wohin die Reise geht...
 

Welche Richtung verfolgt rot-grün in der Flüchtlingspolitik? Gerade meldeten die Zeitungen, daß die Lageberichte des Auswärtigen Amtes, die oft Grundlage für Entscheidungen in Asylverfahren sind, nun endlich auch unter Berücksichtigung von Erkenntnissen von Menschenrechtsorganisationen erstellt werden sollen. Ein Aufbruch in die richtige Richtung?
Wohl eher nicht, denn andererseits wurde von der rot-grünen Regierung einem Rückübernahmeabkommen mit Algerien, das im März 1997 noch von der alten Regierung ausgehandelt wurde, neues Leben eingehaucht.
Auf dessen Grundlage werden seit dem 1. Juni AlgerierInnen, die abgeschoben werden sollen, schon bevor sie in der BRD ins Flugzeug steigen, von Sicherheitskräften ihres Heimatlandes, das sie sicherlich nicht grundlos verlassen haben, in Empfang genommen. Diese "Frei-Haus-Lieferung" wird vom parlamentarischen Staatssekretär im Innenministerium Körper in einem Brief an PRO ASYL damit begründet, daß die Begleitung durch algerisches Sicherheitspersonal durch die engere sprachliche und kulturelle Verbundenheit die Möglichkeiten zur beruhigenden Einwirkung auf gewaltbereite Personen verbessere.
Mit diesem schein-pädagogischen Ansatz will sich die Bundesregierung aus der Verantwortung stehlen. Denn aus Kostengründen, wie man zunächst meinen könnte, ist dieses Abkommen mit Algerien nicht geschlossen worden; der BGS muß weiterhin für die Kosten der Abschiebungen aufkommen. Aber: Nicht mehr den deutschen, sondern algerischen Sicherheitskräften kann man so im Notfall die Schuld für eventuelle gewaltsame Zwangsmaßnahmen geben, die schlimmstenfalls auch mal den Tod eines / einer Abzuschiebenden zur Folge haben.
Menschenrechtsorganisationen wie PRO ASYL fordern seit dem Bekanntwerden der Umsetzung des Abkommens zum 1. Juni verstärkt dessen Annullierung und darüber hinaus seit längerer Zeit einen generellen Abschiebestop für Algerien. Neben dem nicht-staatlichen Terror, der dort herrsche, auf den aber in Asylverfahren keine Rücksicht genommen wird, werde die Frage der staatlichen Beteiligung am Terror in Form verdeckter Geheimdienstoperationen nicht ernst genommen. Nach Auskunft von amnesty international gibt es - allerdings nur rhetorische - Anzeichen für positive Veränderungen, seit Präsident Bouteflika an der Macht ist. Menschenrechtsverletzungen auf derart hohem Niveau wie in den letzten Jahren ließen sich jedoch nicht von heute auf morgen beseitigen. Es käme also darauf an, die Situation sorgsam zu beobachten anstatt bedenkenlos abzuschieben.

Jan Gehrken, Hamburg.

Quellen: Frankfurter Rundschau v. 21.12.1998, PRO ASYL Infomappe Nr. 16 - August 1999, jungle world v. 07.07.1999, taz v. 01.06.1999.