Heft 4 / 1999:
Verfassungspotentiale?
50 Jahre Grundgesetz
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Altautomann Schröder
 

Im Juli hat der Umweltministerrat der EU gegen die Stimmen Deutschlands den Entwurf einer Altautorichtlinie verabschiedet. Die Geschichte dieses Richtlinienentwurfs ist ein Paradebeispiel dafür, wie sehr in Deutschland politische Entscheidungen von der Wirtschaft diktiert werden. Eigentlich hatten sich die Umweltminister der EU-Staaten nämlich schon im Dezember letzten Jahres auf einen Entwurf einer Altautorichtlinie geeinigt, mit der eine weitgehende Wiederverwertung von Schrottautos erreicht werden sollte. Nach diesem Entwurf hätten von 2003 an Altautos ohne Kosten für den / die letzteN HalterIn von den Herstellern zurückgenommen werden müssen. Bis zum Jahr 2005 sollten mindestens 85 % des Autogesamtgewichts je Hersteller wiederverwertet werden, bis 2015 95 %. Die Verwendung von Schwermetallen in Neufahrzeugen sollte verboten werden. Sogar der damalige Präsident des Verbandes der Europäischen Automobilhersteller (Acea), Pischetsrieder, hatte den Plan geschluckt. Der Verabschiedung der Richtlinie schien also nichts mehr im Weg zu stehen. Dann kam aber doch alles noch ganz anders: VW-Chef Piëch wurde neuer Acea-Vorsitzender und machte seinen Einfluß auf seinen Freund und Bundeskanzler Schröder geltend. Aufgefahren wurde das übliche Argument mit den Arbeitsplätzen, die durch die aufgrund der Rücknahmepflicht entstehenden Kosten gefährdet seien. Schröder sah sein Image als wirtschaftsfreundlicher Kanzler gefährdet und tat ab sofort alles in seiner Macht stehende, um die Verabschiedung der Richtlinie zu verhindern. Als Ende Juni die Verabschiedung der Altauto-Richtlinie auf der Tagesordnung des Umweltministerrates stand, sah es schlecht aus für Schröder und Piëch: Außer Deutschland wollten alle Staaten die Richtlinie und für die notwendige Sperrminorität im Rat reichten die deutschen Stimmen nicht aus. Also drohte Schröder Umweltminister Trittin mit Entlassung und brachte ihn so dazu, die Richtlinie von Platz 1 auf Platz 10 der Tagesordnung setzen zu lassen und nutzte die so gewonnene Zeit, um Großbritannien und Spanien zur Ablehnung der Richtlinie zu bewegen. Damit war die nötige Stimmenanzahl beisammen, um die Verabschiedung der Richtlinie zu verhindern und Deutschland hatte sich in der EU gehörig blamiert. Letztlich hat das Taktieren jedoch wenig genutzt: Der nun verabschiedete Entwurf sieht als Kompromiß eine Rücknahmepflicht für neu zugelassene Autos ab 2001, für alle Altautos ab 2006 vor; die Recyclingquoten und das Schwermetallverbot bleiben erhalten. Jetzt muß als nächstes das Europaparlament über den Entwurf entscheiden.

Karin Bieback, Hamburg

Quellen: tageszeitung (taz) v. 26.06. u. 24.07. 99, Die Woche v. 02.07.99, Handelsblatt v. 23.06. u. 28.06.99.