Heft 2 / 2001: Recht Macht Geschlecht Notwendigkeit und Perspektiven feministischer Rechtspolitik |
Anna Luczak | |
Präventiv verwahrt | |
Wahlkampfzeiten sind schlechte Zeiten für den Rechtsstaat. Dies zeigte anschaulich der baden-württembergische Landtag, als er am 20. Februar, also einen Monat vor der Landtagswahl, mit einer großen Koalition aus CDU, FDP, SPD und Reps das Gesetz über die Unterbringung besonders rückfallgefährdeter Straftäter (StrUBG) beschloß. Damit wird das bundesgesetzliche Institut der Sicherungsverwahrung nach § 66 Strafgesetzbuch ausgedehnt, wonach StraftäterInnen nach Verbüßung der Regelstrafe unabhängig von der Schuldschwere allein wegen ihrer prognostizierten "besonderen Gefährlichkeit" weiter festgehalten werden können. Die Sicherungsverwahrung soll nach dem StrUBG nicht mehr nur im Zusammenhang mit einem Strafurteil als Maßregel angeordnet werden, sondern vor der eigentlich anstehenden Entlassung an die Regelstrafe angehängt werden können. Dabei ist insbesondere die Art der Entscheidung über die theoretisch unbegrenzt mögliche Verlängerung der Freiheitsentziehung problematisch. Um zu vermeiden, daß die Regelung schon wegen mangelnder Gesetzgebungskompetenz des Landes verfassungswidrig ist, mußte das baden-württembergische Spezialmodell der Sicherungsverwahrung als polizeirechtliche Maßnahme ausgestaltet werden. Zur Abgrenzung vom bundesgesetzlichen Institut kommt als Grundlage für die verwaltungsrechtliche Prognoseentscheidung über die von den TäterInnen ausgehende "erhebliche gegenwärtige Gefahr für Leben und Gesundheit der Bevölkerung" all das nicht in Betracht, was in die Strafgerichtskompetenz fällt. Es dürfen also weder die Vortaten und das gesamte TäterInnen-Verhalten vor der Verurteilung noch etwaige Straftaten im Vollzug herangeogen werden, sondern nur das sonstige Verhalten im Strafvollzug. Wie auf eine gezwungenermaßen sehr geringfügige Datenlage eine sichere Prognose gestützt werden soll, ist das Geheimnis des Gesetzgebers. Klar ist, daß den Vollzugsanstalten damit ein formidables Disziplinierungsinstrument in die Hand gegeben ist. Klar ist auch, daß damit wieder ein Teil des Rechtsstaats dem Wahlkampf geopfert wurde. Anna Luczak, Freiburg.
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