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Seit letztem Jahr zählt die "Reid-Methode" zur Polizeiausbildung in Bayern.
Dies ist eine aus den USA stammende Vernehmungsmethode, die von einem
kommerziellen Unternehmen vertrieben wird. Ausgangspunkt ist die Annahme,
der/die Vernehmende könne bereits zu Beginn eines Verhörs anhand konkreter
Hinweise ermitteln, ob die vernommene Person die Wahrheit sagt. Dazu wird
mit ihr ein "Verhaltens-Analyse-Interview" durchgeführt, in dessen Verlauf
ihr Verhalten analysiert wird. In dem 600 Seiten starken Handbuch zur
Methode werden verbale wie nonverbale Hinweise aufgeführt, die auf Lügen
schließen lassen, wobei Körpersprache und Gesprächsverhalten aufgegriffen
werden. Ist die Vernehmungsperson überzeugt, ihr Gegenüber lüge, folgt
sie vorgeschriebenen Mustern, um ein Geständnis zu erreichen. Bemerkenswert
sind dabei zwei Elemente.
Entweder gibt sie der vernommenen Person moralische oder psychologische
Rechtfertigungen an die Hand, um deren persönliche Verantwortung zu minimieren
und das angenommene Geschehen zu verharmlosen. Knickt die vernommene Person
ein, wird der Sachverhalt seines rechtfertigenden Charakters entkleidet,
die Handlungen beim Namen genannt und die entsprechenden Delikte für das
Protokoll festgehalten.
Oder es wird ein anderes Element verwandt: der vernommenen Person wird
eine erdrückende Beweislage vorgespiegelt, so dass sie davon ausgehen
muß, Leugnen sei müßig. Dafür darf die vernehmende Person laut Reid ausdrücklich
Beweislagen erfinden, die in Wahrheit nicht existieren.
Bereits der Ansatz dieser Methode ist verfehlt. Denn in der sozialpsychologischen
Forschung herrscht Einigkeit darüber, dass verallgemeinerbare Symptome
für die Frage, wann eine Person lügt, nicht existieren. Weiterhin betonen
BefürworterInnen dieses Ansatzes zwar, dass sie in Deutschland entsprechend
der Strafprozeßordnung (StPO) umgesetzt werde. Offen bleibt aber, wie
das gehen soll in einer Verfahrensordnung, die in § 136a - als Konkretisierung
von Art 1 I Grundgesetz - das bewußte Täuschen der vernommenen Person
verbietet. Zuletzt ist kriminalistisch erwiesen, daß es generell in Zwangslagen
zu falschen Geständnissen kommen kann. Die "Reid-Methode" birgt diesbezüglich
extreme Gefahren, da die Schuld zu Beginn des Gespräches bei positivem
Ergebnis des "Verhaltens-Analyse-Interviews" bereits "feststeht" und anschließend
nur noch nachgewiesen werden muß.
Unseriös und gefährlich - kein Wunder, daß das nach Bayern derzeit zweitsicherste
Bundesland da nicht hintanstehen möchte: Udo Nagel, Hamburgs Innenminister
unter Ronald Schill, hat bereits angekündigt, sich für Schulungen auch
in seiner Stadt einzusetzen.
Tillmann Löhr, Göttingen
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