Heft 4 / 2002:
Aus dem Westen was Neues
Interessenpolitik durch Rechtsexport
xxx

Stephen Rehmke Zum ersten Artikel des Schwerpunkts Zum ersten Artikel des Forums Zur Rubrik Recht kurz Zum Sammelsurium Zur Rubrik Politische Justiz Zur BAKJ-Seite
Gebotene Intensität
 

Bereits wenige Tage nach dem Tod des 19-jährigen Achidi J. am 12. Dezember vergangenen Jahres machte der Hamburger Justizsenator Kusch auf einer Pressekonferenz deutlich, dass die Brechmitteleinsätze in der Hansestadt fortgesetzt würden. "Jede andere Entscheidung", so der Senator, "wäre ein Signal, dass die Strafverfolgung in Hamburg nicht mit der gebotenen Intensität durchgeführt wird." Eine derartige Intensität kam der Aufklärung des Todes von Achidi J. nicht zuteil. Obgleich in der selben Woche ein Hamburger Anwaltsbüro Strafanzeige wegen des Verdachts eines Tötungsdelikts und unterlassener Hilfeleistung gegen die am Brechmitteleinsatz gegen J. beteiligte Ärztin und der ihr zur Hand gehenden Polizeibeamten gestellt hatte, gab es noch sechs Monate später keine offizielle Ermittlungsakte (siehe Politische Justiz, Forum Recht 3/2002). Es fehlte, so der widerkehrende Tenor der Staatsanwaltschaft, an einem Anfangsverdacht für das Vorliegen einer Straftat. Für einen solchen Verdacht soll ja bekanntlich schon eine geringe Wahrscheinlichkeit ausreichen. Für die Hamburger Strafverfolger waren die damaligen Ereignisse aber wohl nicht ungewöhnliches: J. musste im Hamburger Institut für Rechtsmedizin immerhin einen Cocktail mit dem brechreizenden Wirkungsstoff Ipecacuanha schlucken, das für seine erheblichen gesundheitsgefährdenden Nebenwirkungen bekannt ist. Daraufhin erlitt der junge Afrikaner einen Herzstillstand, der aber erst drei Minuten von den beteiligten BeamtInnen beobachtet wurde bis diese Rettungsmaßnahmen einleiteten.
Nachdem der Staatsanwaltschaft schließlich mit einer Beschwerde gedroht wurde, sah diese sich offensichtlich veranlasst ihre bis dato als so genannte Vorermittlungen bezeichneten Ermittlungstätigkeiten zum Abschluss zu bringen. Sie präsentierte ein Gutachten der Rechtsmedizin von der Berliner Freien Universität zur Todesursache Achidi J., das sie offenbar monatelang unter Verschluss gehalten hatte. Die Behörde erklärt den Hirntod des Afrikaners nun mit einen Kreislaufzusammenbruch, der auf eine schwere Herzerkrankung des Achidi J. zurückzuführen sei. "Ein strafrechtlich relevantes Verhalten der an dem Einsatz beteiligten Personen, so die Staatsanwaltschaft, "ist zu verneinen."
Die Hamburger Kampagne gegen Brechmitteleinsätze und das Anwaltsbüro geben sich mit dieser Entscheidung nicht zufrieden. Mit Abschluss des Verfahrens hat das Büro nun endlich die lange verwehrte Einsicht in die Akte von Achidi J. erhalten. Sie wird im Interesse der Eltern und der Menschen, die weiterhin der lebensgefährlichen Behandlung von Brechmitteleinsätzen ausgesetzt sind, den Fragwürdigkeiten dieses Ermittlungsverfahrens nachgehen.

Stephen Rehmke, Hamburg