Die Teilnahme am digitalen Schulunterricht ist praktisch unmöglich, wenn im Haushalt nur ein Smartphone zur Verfügung steht. Dies erkannte nun auch das Landessozialgericht (LSG) Thüringen. Mit Beschluss vom 08.01.2021 (Az. L 9 AS 862/20 B ER) änderte das LSG in Erfurt den Beschluss des Sozialgericht Nordhausen ab und verpflichtete das zuständige Jobcenter der Antragstellerin ein internetfähiges Endgerät nebst Zubehör zur Verfügung zu stellen oder die Kosten hierfür in Höhe von maximal 500,- EUR zu übernehmen.
Das LSG verwies darauf, dass die Anschaffung eines internetfähigen Endgeräts nebst Zubehör nach § 21 Abs. 6 Sozialgesetzbuch (SGB) II einen anzuerkennenden Mehrbedarf darstellt. Die Notwendigkeit dieser Eilentscheidung ist eine Folge der unzureichenden Gesetzeslage: Mitglieder*innen einer Bedarfsgemeinschaft, die selbst nicht erwerbsfähig sind, haben zwar grundsätzlich einen Anspruch auf Sozialgeld (§ 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II), dieser umfasst jedoch nur Leistungen, welche dem sogenannten „Regelbedarf“ unterfallen. Sobald Anspruchsberechtigte auf die kühne Idee kommen, Leistungen zu beantragen, die über das knapp bemessene Maß des Existenzminimums hinausgehen, muss ein „Mehrbedarf“ geltend gemacht werden (§ 21 SGB II). Das Gericht nahm den § 21 Abs. 6 SGB II in den Blick und attestierte der Antragstellerin, im Zuge einer verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift, diesen unabweisbaren Mehrbedarf. Dabei klebte der Senat glücklicherweise nicht am Wortlaut der Norm und stellte zur Beurteilung des laufenden Bedarfs nicht auf die einmalige Anschaffung, sondern auf die laufende Nutzung des Computers ab.
Die Höhe der zugesprochenen Leistungen wurde auf 500,- EUR beschränkt. Dabei hoben die Richter*innen hervor, dass im System des SGB II kein Anspruch auf bestmögliche Versorgung bestehe. Es sei auch grundsätzlich zumutbar gebrauchte Geräte zu verwenden, wenn diese den erforderlichen Zweck erfüllen. Das Gericht verkennt hier jedoch, dass technische Endgeräte aufgrund eines ständig stattfindenden Modernisierungsprozesses gerade nicht mit getragener Kleidung zu vergleichen sind. Das Urteil bleibt damit hinter der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Bildungswesen im System des SGB II zurück.
Das LSG Thüringen sorgt mit seinem Beschluss also für das Allernötigste. Damit Kinder aus Bedarfsgemeinschaften aber nicht erst einen richterlichen Beschluss erwirken müssen, um auch in Pandemiezeiten ihrer Schulpflicht nachkommen zu können, muss jetzt der Gesetzgeber tätig werden. Das Arbeiten an einem Computer wird für Schüler*innen auch nach der Krise zum Alltag gehören.