Mit seinem Beschluss vom 16.12.2020 (Az. 2 BvE 4/18) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) einmal mehr eine demokratische Kontrolle des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) behindert.
Um diese auszuüben, hatte der Untersuchungsausschuss des Bundestages, der das Versagen der Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016 aufklären soll, das Bundesministerium des Innern (BMI) aufgefordert, den Mitarbeiter des BfV zu benennen, der mit der V-Personen-Führung im Umfeld des Attentäters Anis Amri beauftragt war. Der Ausschuss erhoffte sich von einer Befragung dieses Mitarbeiters unter anderem Hinweise darauf, ob dort V-Personen eingesetzt waren und ob aus Rücksicht auf den Einsatz der Spitzel die Weitergabe von Informationen an die Polizei unterblieben war. Das BMI weigerte sich unter Verweis auf ein angebliches Enttarnungsrisiko, den Namen zu nennen.
Das BVerfG betonte zwar die Wichtigkeit der parlamentarischen Kontrolle des BfV auch durch Untersuchungsausschüsse. Diese sei gerade beim Einsatz von V-Personen notwendig, weil es dabei zu extrem schweren Grundrechtseingriffen komme und weil die Gefahr bestünde, dass V-Personen ihre Stellung ausnutzten, um das BfV zu manipulieren oder Ermittlungen zu behindern. Deswegen könne von einer Vernehmung des V-Person-Führers nur abgesehen werden, wenn zwingende Gründe des Staatswohls dies im Einzelfall erforderten. Zwingende Gründe sieht das BVerfG allerdings schon darin, dass die V-Person die Vernehmung ihres*ihrer Kontaktbeamt*in beim BfV als Vertrauensbruch verstehen könnte. Dies sei auch durch Geheimschutzmaßnahmen wie die Vernehmung in nichtöffentlicher Sitzung, die Verfremdung von Aussehen und Stimme und das Auftreten unter einem Decknamen nicht zu verhindern. Schließlich seien V-Leute insbesondere im islamistischen Milieu wegen der hohen Gewaltbereitschaft gegen „Verräter“ besonders sensibel für mögliche Brüche einer ihnen gemachten „Vertraulichkeitszusage“ und könnten deshalb ihre Zusammenarbeit mit dem BfV beenden.
Was das BVerfG als Besonderheit von Amris Umfeld beschreibt, trifft wohl auf jeden Bereich zu, in dem V-Personen eingesetzt werden. Inwiefern es durch Untersuchungsausschüsse kontrolliert werden darf, kann das BfV damit durch den Einsatz von Vertraulichkeitszusagen mehr oder weniger selbst bestimmen. Der Fall Anis Amri zeigt, dass der Verfassungsschutz keine Anschläge verhindert. Solange er nicht abgeschafft wird, muss sein Handeln wenigstens kontrolliert werden können. Das hat das BVerfG wieder einmal verhindert.