Nachdem seit Jahren über die menschenunwürdige Lebenssituation von Geflüchteten und Migrant*innen in Griechenland berichtet wird, hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster am 21.02.2021 auf eine weitere Verschlechterung der Lage infolge der Pandemie reagiert. Im konkreten Fall hatte der Kläger zuerst in Griechenland einen Antrag auf Asyl gestellt, woraufhin ihm dort internationaler Schutz anerkannt worden war. Als er schließlich in Deutschland einen weiteren Antrag stellte, wurde dieser nach § 29 I Nr. 2 Asylgesetz (AsylG) vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für unzulässig erklärt, da bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union internationaler Schutz zugesichert wurde. Diese Entscheidung und den darauf gestützten Abschiebungsbescheid erklärte das OVG nun für rechtswidrig (Az. 11 A 1564/20.A).
Denn auf § 29 I Nr. 2 AsylG kann sich nicht berufen werden, wenn den*ie Antragstellende*n in dem Staat, der zuerst die Schutzwürdigkeit anerkannt hat, Lebensverhältnisse erwarten, die einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 Grundrechtecharta oder Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention entsprechen (Europäischer Gerichtshof (EuGH), C-540/17 und 541/17). Eine solche wird dann angenommen, wenn sich eine von Unterstützung abhängige Person aufgrund der Gleichgültigkeit staatlicher Behörden in einer Situation extremer materieller Not wiederfindet, die es ihr verwehrt ihre elementarsten Bedürfnisse („Bett, Brot, Seife“) zu befriedigen (EuGH, C-163/17).
Die meisten der im Urteil beschriebenen Umstände, die diese Lage begründen, sind keine Neuheiten. Das gilt zum Beispiel für die drohende Obdachlosigkeit, denn nicht einmal die überfüllten Geflüchtetenlager stehen Personen mit anerkanntem Schutzstatus offen. Dementsprechend war es jedenfalls nicht unüblich, dass Verwaltungsgerichte Abschiebungen nach Griechenland untersagten. Dass nun im konkreten Fall vor dem Hintergrund des größten durch die Pandemie verursachten wirtschaftlichen Einbruchs Europas in Griechenland ein OVG diese Entscheidung getroffen hat, könnte mehr Rechtsklarheit bringen. Das Urteil wurde jedenfalls bereits in weiteren Entscheidungen bestätigt (zum Beispiel Az. W 8 K 19.32165). Es bleibt zu hoffen, dass sich die Gerichte nicht so wankelmütig wie im Fall Afghanistans zeigen werden. Denn auch eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württembergs (Az. A 11 S 2042/20), nach der im Februar nicht nach Kabul abgeschoben werden durfte, führte weder zu einer einheitlichen Rechtsprechung, noch wurden Sammelabschiebungen eingestellt.