Während die Zahl der Abgeordneten im Bundestag stetig wächst, sinkt der Anteil an weiblichen* Abgeordneten. Von den 709 Abgeordneten des 19. deutschen Bundestags sind lediglich 218 Frauen*. Eine Rüge der fehlenden gesetzlichen Regelungen zur paritätischen Ausgestaltung der Landeslisten und Wahlkreiskandidaturen in Form der Wahlprüfungsbeschwerde wurde am 15.12.2020 vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als unzulässig verworfen. Die Beschwerdeführerinnen legten nach zurückgewiesenem Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl des 19. deutschen Bundestages am 09.05.2019 eine Wahlprüfungsbeschwerde beim BVerfG ein. Beklagt wurde unter anderem, dass das geltende Wahlorganisationsrecht sich zu Lasten von Frauen* auswirkt und damit gegen die Chancengleichheit bei der Erstellung von Wahlvorschlägen verstößt. Dabei handle es sich um eine strukturelle mittelbare Diskriminierung. Trotz neutral formulierter Anforderungen an die passive Wahlberechtigung wird ein „Geschlecht“ benachteiligt. Art 3 II GG schützt jedoch vor jeglichen Formen der Diskriminierung, auch vor strukturell mittelbarer. Eine solche Diskriminierung im Wahlprozess stelle einen Wahlfehler dar und schlage sich damit auf die Gültigkeit der Wahl nieder. Da die Hälfte des „Wahlvolks“ stets unterrepräsentiert ist, liege auch ein Mangel in der Legitimationskette vor und widerspreche damit dem Demokratieprinzip gem. Art. 20 II 1 GG.
Das Bundesministerium des Innern sah dies bereits anders. Eine Verletzung von Art. 38 I 1 i.V.m. Art. 3 I GG läge nicht vor. Für die Chancengleichheit sei es gerade wichtig, dass alle Kandidat*innen unabhängig von ihrem Geschlecht formal die Möglichkeit hätten, sich zur Wahl zu stellen.
Das BVerfG weist die Beschwerde nun als unzulässig zurück. Es handle sich allenfalls um einen Wahlfehler durch gesetzgeberisches Unterlassen, weshalb es einer erhöhten Begründunganforderung bedürfe. Diese substantiierte Darlegung sei nicht erfolgt. Insbesondere sei nicht ausreichend dargelegt worden, weshalb den Gesetzgeber eine Verpflichtung zur Regelung von paritätischen Wahllisten treffen sollte. Es reiche unter anderem nicht aus, auf Wahlergebnis und Prozente innerhalb von Wahllisten zu verweisen.
Durch die Zurückweisung der Wahlbeschwerde wird erneut der Weg verschlossen, den Gesetzgeber zu einer Förderung des staatlichen Ziels der Gleichberechtigung der Geschlechter und damit zu Gegenmaßnahmen zu den patriarchalen Strukturen der Parteien zu verpflichten. Damit wird eine faire und effektive politische Teilhabe vor allem von Frauen* verhindert.