Die Strafverfolgungsbehörden dürfen persönliche Daten auch zur Verfolgung vergleichsweise geringer Straftaten erheben. Dies entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 02. Oktober 2018 auf Vorlage einer spanischen Staatsanwaltschaft (Az. C-207/16).
Diese ermittelte zu einem Raub, bei dem eine Brieftasche und ein Mobiltelefon entwendet worden waren. Um herauszufinden, welche Nummern von dem Mobiltelefon aus angerufen worden waren, beantragte sie den Zugriff auf Daten eines Telekommunikationsbetreibers. Das spanische Gericht lehnte den Antrag jedoch ab, da das Delikt zu geringfügig sei. Das spanische Recht erlaube die Datenerhebung nur zur Aufklärung von Straftaten mit einer Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren. Das Berufungsgericht rief schließlich den EuGH an, um zu klären, unter welchen Voraussetzungen die europäische Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation eine Datenerhebung erlaube. Dieser stellte zunächst fest, dass die fragliche Richtlinie 2002/58 nicht auf schwere Kriminalität begrenzt sei: Sie spräche in Art. 15 Abs. 1 S.1 von „Straftaten“ im Allgemeinen.
Entscheidend sei, wie tief der mit der Datenerhebung verbundene Eingriff in die Privatsphäre sei. Wo sich aus den erhobenen Daten weitgehende Rückschlüsse auf das Privatleben der Person ziehen ließen, sei dies nur zur Verfolgung schwerer Straftaten zulässig. Dies gebiete die Verhältnismäßigkeit. Wo der Eingriff jedoch gering sei, sei die Erhebung von Telekommunikationsdaten auch bei geringfügiger Kriminalität möglich.
Die Probleme liegen auf der Hand: Denn wie tief ein Eingriff war, stellt sich zumeist erst heraus, wenn die Strafverfolgungsbehörden bereits Zugriff auf die Daten haben – der potentielle Schaden ist dann bereits eingetreten.
Trotzdem stärkt das Urteil die deutsche Rechtslage. Denn § 100a Abs. 1 StPO erlaubt den Einsatz der Telekommunikationsüberwachung zwar prinzipiell nur bei schweren Straftaten, geht mit diesem Begriff aber lax um. Denn der entsprechende Katalog des §100a Abs. 2 StPO nennt nicht etwa nur Tötungsdelikte oder Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, sondern sogar Strafvorschriften aus dem Asyl- und Aufenthaltsgesetz (§ 100a Abs. 2 Nr. 4 und 5 StPO). So dürfen die Strafverfolgungsbehörden die Telekommunikation von Personen überwachen, denen lediglich der Vorwurf der „Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung“ nach § 83 Abs. 3 AsylG gemacht wird. Ob dies kriminalpolitisch sinnvoll ist, mag bezweifelt werden. Die Strafprozessordnung indes erlaubt es, und der EuGH scheint es zu goutieren.