Wer Polizeimaßnahmen filmt, läuft immer wieder Gefahr, die Aufnahmen löschen zu müssen und schlimmstenfalls wegen Verletzung der Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes nach § 201 Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) vor Gericht zu stehen.
So auch eine Demonstrantin in Wuppertal, die am Rande einer Demonstration wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot von Polizist*innen angesprochen und einige Meter aus der Demonstration herausgeführt wurde. Dort begann sie, mit ihrem Handy zu filmen. Die Polizist*innen forderten sie dazu auf, dies zu unterlassen. Später erhielt sie einen Strafbefehl wegen unbefugten Aufnehmens des nichtöffentlich gesprochenen Wortes einer anderen Person auf einem Tonträger. Schon in erster Instanz wurde sie freigesprochen, weil es sich bei den Äußerungen der Polizist*innen um öffentlich gesprochene Worte handelte.
Dies bestätigte das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) am 4.11.2022 (Az. 3 RVs 28/22). Nichtöffentlich sei eine nicht an die Allgemeinheit gerichtete Äußerung, die nicht über einen durch persönliche oder sachliche Beziehungen abgegrenzten Personenkreis hinaus ohne Weiteres wahrnehmbar sei. Kriterien seien die Abgeschlossenheit des Kreises der Zuhörer*innen sowie die Möglichkeit der Kontrolle über die Reichweite. Es komme dabei zwar vor allem auf den Willen der Sprecher*in an, es müssten aber auch die äußeren Umstände mit einbezogen werden. Eine faktische Öffentlichkeit bestehe auch, wenn mit einer Kenntnisnahme durch Dritte gerechnet werden müsse. Dies sei auf dem belebten Platz, auf dem sich der Vorfall ereignete, der Fall gewesen.
Das OLG begründet diese Auslegung mit dem Zweck des § 201 Abs. 1 StGB: Der Straftatbestand solle Sprecher*innen in Situationen schützen, in denen sie keinen Grund zu sehen brauchen, sich in Inhalt und Form ihrer Äußerungen zurückzuhalten. Sobald damit zu rechnen sei, dass die Äußerung von der Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen wird, werde sie zu einer öffentlichen Äußerung.
Anders als zuletzt etwa das Landgericht München I (Urt. v. 11.02.2019 – 25 Ns 116 Js 165870/17) macht das OLG damit die Nichtöffentlichkeit der Äußerung immerhin nicht vom Willen der betroffenen Polizist*innen abhängig. Es verkennt aber, dass § 201 StGB nur den persönlichen Lebens- und Geheimbereich schützt. Das dienstliche Handeln von Polizist*innen ist gerade nicht Teil davon. Es ist rechtlich gebunden, sodass sie dabei immer einen Grund haben, sich in Inhalt und Form ihrer Äußerungen zurückzuhalten. Eine schützenswerte Unbefangenheit gibt es nicht. Die Polizei zu filmen, muss möglich sein.
Charlotte Korenke, Köln