Am 7. Mai 2022 trafen im Lokalderby BSG Chemie Leipzig und 1. FC Lokomotive Leipzig aufeinander. Gegen Ende der ersten Halbzeit kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Chemie-Anhänger*innen und der Polizei. Dabei sollen auch Gegenstände auf die Polizei geworfen worden sein, weshalb u.a. wegen gemeinschaftlichen schweren Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung ermittelt wurde. Im Zuge dieser Ermittlungen kam es zu Wohnungsdurchsuchungen bei insgesamt 20 beschuldigten und zwei nichtbeschuldigten Personen. 14 der Beschuldigten mussten sich außerdem einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterziehen, wobei es auch zu Entnahmen von Körperzellen kam, die zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters molekulargenetisch untersucht wurden (DNA-Identitätsfeststellung). Darüber hinaus wurde ein Öffentlichkeitsfahndung eingeleitet, mit der nach 39 unbekannten Personen gesucht wurde. Es folgte ein tendenziöser Beitrag in der Sendung „Kripo Live“ des Mitteldeutschen Rundfunk im September 2022, der jegliche journalistischen Standards vermissen ließ und die betroffenen Personen dem Voyeurismus eines breiten Publikums aussetzte und sie so sowohl in ihrem privaten als auch beruflichen Umfeld bloßstellte.
Im Dezember 2022 erklärte das Landgericht (LG) Leipzig die DNA-Identitätsfeststellung zweier Betroffener schließlich für rechtswidrig. Diese waren mittels anwaltlicher Hilfe gegen den besonders schwerwiegenden Eingriff in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vorgegangen. Gestützt wurde die DNA-Identitätsfeststellung auf § 81g StPO, welcher eigentlich an hohe Hürden gebunden ist. Als Präventivmaßnahme zielt die Speicherung der Daten auf die Verhinderung zukünftiger Straftaten ab. Nur weil sich eine Person jedoch erstmalig dem Vorwurf der Begehung einer Straftat ausgesetzt sieht, kann daraus keinesfalls geschlossen werden, dass diese Person zukünftig potentiell Straftaten begehen wird, so das LG Leipzig. Darüber hinaus dürfte bereits fraglich sein, ob überhaupt eine „Straftat von erheblicher Bedeutung“ vorliegt. Umso bezeichnender ist es dementsprechend, dass es überhaupt zu den Entnahmen kommen konnte. Sie reihen sich ein in einen überbordenden Ermittlungseifer von Polizei und Staatsanwaltschaften u.a. im Zusammenhang mit organisierten Fußballfans. Doch nicht nur dieser Fall zeigt, dass es sich immer lohnt, dafür zu kämpfen, den Ermittlungsbehörden ihre Grenzen aufzuzeigen; im besten Fall natürlich noch vor Durchführung der konkreten Maßnahme.
Hannah Kull, Frankfurt a.M.