Der Kölner Stadtrat hat im Dezember 2023 beschlossen, dass die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) in Zukunft keine Anzeigen wegen Fahrens ohne Fahrschein erstatten sollen. Das Fahren ohne Fahrschein ist (so sieht es jedenfalls die Rechtsprechung) nach § 265a StGB als „Erschleichen von Leistungen“ strafbar. In der Regel wird es zwar nur mit einer Geldstrafe geahndet, aber wer die nicht bezahlt, muss eine Ersatzfreiheitsstrafe absitzen. Das betrifft jedes Jahr tausende, vor allem arme, Menschen: Wer kein Geld für eine Fahrkarte hat, hat wenig überraschend in der Regel auch keines, um eine Geldstrafe zu bezahlen.
Eine Stadt kann zwar im Alleingang keine Straftatbestände abschaffen, aber das Erschleichen von Leistungen ist nach § 265a Abs. 3 i.V.m. § 248a StGB ein Antragsdelikt – zumindest, wenn es nur um Leistungen von geringem Wert geht, wie etwa um Fahrkarten, die 2,50 € kosten. Die Staatsanwaltschaft kann nur dann ein Strafverfahren einleiten, wenn die Geschädigten – also die Verkehrsbetriebe – einen Strafantrag stellen oder wenn sie es wegen eines besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung für geboten hält. Als einzige Gesellschafterin der Stadtwerke Köln GmbH, zu denen auch die KVB gehört, konnte die Stadt Köln deren Geschäftsführung die Weisung erteilen, den Vorstand der KVB anzuweisen, in Zukunft keine Strafanzeigen oder Strafanträge mehr wegen Erschleichens von Leistungen zu stellen. Ähnliche Konstruktionen gibt es in vielen anderen Städten auch. Theoretisch könnten die Staatsanwaltschaften weiterhin in Einzelfällen Ermittlungsverfahren einleiten, wenn sie ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung sehen. Praktisch werden sie ohne Anzeigen von den Verkehrsbetrieben nicht mehr von Fällen erfahren.
Auch in anderen Städten wie Bremen, Düsseldorf, Wiesbaden, Münster, und Dresden wurden in den letzten Monaten ähnliche Beschlüsse gefasst. Die Städte haben also Spielraum und es ist gut, dass der an immer mehr Orten genutzt wird. Eine Abschaffung des Straftatbestands ersetzt das aber nicht. Die scheint immerhin geplant zu sein: Ein Eckpunktepapier des Bundesministeriums der Justiz aus dem November kündigt an, dass das Erschleichen der Beförderung durch ein Verkehrsmittel aus dem § 265a StGB gestrichen und zu einer Ordnungswidrigkeit gemacht werden soll. Ob die Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit ein großer Fortschritt ist, bleibt aber zu bezweifeln – sinnvoller wäre eine vollständige Entkriminalisierung oder gleich ein kostenloser öffentlicher Nahverkehr.