Im Februar sorgte ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Az. 16a D 23.1023) für Entrüstung. Trotz jahrelanger antisemitischer, rassistischer und NS-verherrlichender Chatnachrichten müsse ein Polizist nicht aus dem Beamtenverhältnis entfernt, sondern lediglich wegen fehlenden Widerspruchs im Fall einer verfassungsfeindlichen Nachricht (Verstoß gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten außerhalb des Dienstes und zur unparteiischen Amtsführung, §§ 34 S. 3 und 33 Abs. 1 S. 2 BeamtStG) und Geheimnisverrats (§ 353b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB) eine Besoldungsstufe herabgesetzt werden.
Zwar erkennt das Gericht die Äußerungen als „objektiv verfassungsfeindlich“ an. Doch der Großteil sei im engen Kreis erfolgt und genieße mit Blick auf Meinungsfreiheit und Entfaltung der Persönlichkeit besonders hohen grundrechtlichen Schutz. Denn aus der Kommunikation lasse sich auch nicht zwingend auf eine verfassungsfeindliche Gesinnung schließen.
Vielmehr seien es „deutlich überspitzte Meinungskundgabe[n]“ in „einer sich aufschaukelnden Unterhaltung“ mit „auf kurzfristige Lacher angelegte[m] Überbietungswettbewerb“. Teilweise hätten die Äußerungen „gerade wegen ihres inakzeptablen und tabuisierten Inhalts als Ventil“ gedient, um „Selbstwirksamkeit, Autonomie und Kontrolle zurückzugewinnen“. Zu Gunsten des Beklagten wertet das Gericht sein Geltungsbedürfnis, seine Labilität sowie diverse Situationen wie einen „risikobereiten Rettungseinsatz zugunsten einer geflüchteten Person“ oder das glaubhafte Schildern gemeinsamer jüdischer Feiertage mit Freunden. Die Bitte an einen Kollegen, keine solchen Inhalte zu teilen, sei nicht auf Chatskandale der hiesigen Polizei sondern eigenen Antrieb zurückzuführen.
Das Urteil erscheint juristisch durchdacht und differenziert. Die umfassende Suche nach mildernden Faktoren unter maximal wohlwollender Auslegung und die starke Betonung der privaten Kommunikationssphäre sind aus rechtsstaatlicher Perspektive durchaus bemerkenswert und wäre auch in Konstellationen abseits der Entlastung rechtsextremen Gedankenguts wünschenswert.
Gesellschaftlich ist das Ergebnis fatal. Menschenverachtende Inhalte sind nicht erst bei „echtem Kundgabewillen nach außen“ problematisch, sondern stets mit dem Berufsbild von Beamt*innen unvereinbar. Dabei rechtsextremistischen Tendenzen nicht zu begegnen, ist auf den Staat mal wieder Verlass. In Zeiten zunehmender rechter Gewalt sendet er das Signal: Der Beamtenstatus ist selbst bei menschenverachtender Hetze nicht ernsthaft gefährdet – solange alles ganz vertraut und vertraulich bleibt.