Das Amtsgericht (AG) Freiburg hat die Strafbarkeit eines Mannes nach § 21 Versammlungsgesetz (VersG) festgestellt, der im April 2015 an einer Sitzblockade in der Freiburger Innenstadt teilgenommen hatte und ihn zu zehn Tagessätzen verurteilt (Az. 24 Cs 281 Js 40842/17).
Die Blockade richtete sich gegen einen Demonstrationszug der Pius-Bruderschaft, welche eine strikt ablehnende Haltung zu Schwangerschaftsabbrüchen vertritt und mit einer feindlichen Einstellung gegenüber Homosexuellen auffällt. Die Bruderschaft hatte – wie jedes Jahr – zu einem „Marsch für das Leben“ aufgerufen, um ihre Positionen in der Öffentlichkeit darzustellen.
Das AG erkannte in der friedlichen Sitzblockade eine „grobe Störung“ im Sinne des § 21 VersG, da diese den Zug der Pius-Bruderschaft um ca. 30 Minuten verzögert habe.
Die Verteidigung wurde unterstützt von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) sowie dem Arbeitskreis Kritischer Jurist*innen Freiburg (akj). Die beiden Verteidiger David Werdermann und Jakob Bach argumentierten in der mündlichen Hauptverhandlung zweigleisig: Zum einen sei die Versammlungsfreiheit der Sitzblockade selbst zu berücksichtigen und deren grundrechtlicher Schutz insbesondere auch nach der seitens der Polizei erlassenen Auflösung gegeben. Die Auflösung wiederum sei rechtswidrig geschehen, da mildere Mittel zur Verfügung gestanden hätten, bspw. das Ausweichen des Pius-Zuges über Gehwege bzw. eine Alternativstrecke. Bei Anerkennung des Grundrechtsschutzes der Sitzblockade sei § 21 VersG schon deshalb nicht anzuwenden, weil die Norm dem Zitiergebot gemäß Art. 19 Abs. 1 GG nicht genüge. Der Gesetzgeber hätte bei Erlass des VersG gerade keine solche Konstellation vor Augen gehabt, bei denen eine (geschützte) Versammlung durch eine andere (geschützte) Versammlung beeinträchtigt wird.
Ferner liege selbst bei Rechtmäßigkeit der Auflösung keine grobe Störung vor. Denn hier seien aufgrund des Gebots schuldangemessenen Strafens und der Abgrenzung zur einfachen (nicht strafbewehrten) Störung besonders hohe Maßstäbe anzusetzen.
In Reaktion auf das Urteil des AG erklärten GFF und akj übereinstimmend, dass Rechtsmittel eingelegt würden. Das Gericht erkannte in seinem Urteil grundsätzlich die Versammlungsfreiheit des Angeklagten und damit den Versammlungscharakter der Sitzblockade an. Das lässt darauf hoffen, dass die nächste Instanz zu einer anderen Bewertung hinsichtlich der Strafbarkeit kommt.