Am 27.06.2019 beschloss das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt in der Revision des Falls der Ärztin Kristina Hänel, dass das Landgericht Gießen, von welchem Hänel aufgrund einer Straftat nach § 219a Strafgesetzbuch (StGB) alte Fassung (a.F.) verurteilt wurde, neu über den Fall verhandeln und entscheiden muss (Az. 1 Ss 15/19). Grund dafür ist der vom Gesetzgeber geänderte Straftatbestand des § 219a StGB.Hänel musste sich im November 2017 vor dem Amtsgericht Gießen verantworten, weil sie auf ihrer Webseite PDF-Dateien zum Herunterladen bereitgestellt hat, in denen die verschiedenen Methoden von Schwangerschaftsabbrüchen erklärt werden. Dies war nach § 219a StGB a.F. strafbar, da schon das alleinige Informieren über die Tatsache, dass der*die Ärzt*in Schwangerschaftsabbrüche durchführt, strafbar war. Die Berufung der Angeklagten hatte das Landgericht Gießen verworfen.
Aufgrund von bundesweiten Protestaktionen konnte sich der Gesetzgeber dazu durchringen, den Straftatbestand des § 219a StGB zu mildern. Diese Gesetzesänderung trat am 29.03.2019 in Kraft und soll nun in einem Ausnahmetatbestand in Absatz 4 Ärzt*innen ermöglichen, auf die Tatsache hinzuweisen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche unter den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1-3 StGB vornehmen bzw. auf Informationen einer zuständigen Bundes- oder Landesbehörde, einer Beratungsstelle nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz oder einer Ärztekammer über einen Schwangerschaftsabbruch hinweisen. Neu verhandeln muss das LG Gießen nun, ob die Angeklagte Hänel (nur) unter den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 StGB Schwangerschaftsabbrüche durchführt – dies sei aus dem Urteil des LG Gießen nicht ersichtlich. Hänels Straffreiheit bleibt auch nach der neuen Rechtslage ungewiss. Der Ausnahmetatbestand nach § 219a Abs. 4 Nr. 2 StGB ist auf sie nicht anzuwenden, weil sie anstatt auf eine von den genannten Stellen zu verweisen, eigenständig Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen bereitgestellt hat. Sie könnte allerdings nach § 219a Abs. 4 Nr. 1 StGB freigesprochen werden.
Aus feministischer Perspektive muss kritisiert werden, dass die Gesetzesänderung des § 219a StGB nicht zur Legalisierung der Information über Schwangerschaftsabbrüche führt und Ärzt*innen dadurch abgeschreckt werden könnten, Informationen bereit zu stellen. Solange § 219a StGB nicht abgeschafft wird, besteht immer noch die Gefahr, dass schwangere Menschen, die sich über einen Schwangerschaftsabbruch informieren wollen, auf Webseiten von Abtreibungsgegner*innen landen.