Heft 1 / 2001:
Fragwürdige Dienstleistung
Bundeswehr im Umbruch
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Bundeswehr im Umbruch
 

"Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf." (Art. 87a I GG)
"Männer können ... zum Dienst in den Streitkräften ... verpflichtet werden." (Art. 12a I GG)
"Frauen ... dürfen auf keinen Fall Dienst mit der Waffe leisten." (Art. 12a IV GG, alte Fassung)
"Frauen ... dürfen auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden." (Art. 12a IV GG, neue Fassung)
"Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden." (Art. 4 III GG)

Würde heute jemand von einem fremden Stern kommend in Deutschland landen und diese Sätze des Grundgesetzes lesen, so würde er/sie sich umschauen und fragen: gegen wen verteidigt Ihr Euch denn? Leisten wirklich alle Männer ihren Dienst in den Streitkräften ab? Warum dürfen die Frauen auf keinen Fall verpflichtet werden?
Würde heute jemand von einem fremden Stern kommend in Deutschland landen und diese Sätze des Grundgesetzes lesen, so würde er/sie sich umschauen und fragen: gegen wen verteidigt Ihr Euch denn? Leisten wirklich alle Männer ihren Dienst in den Streitkräften ab? Warum dürfen die Frauen auf keinen Fall verpflichtet werden?
Mit dem Ende des Kalten Krieges ging außenpolitisch der Feind verloren, der über vierzig Jahre hinweg die Ausrichtung der Streitkräfte als Verteidigungsarmee bestimmt und ihre Existenz gerechtfertigt hatte. Am Persischen Golf, in Somalia, Kambodscha und Jugoslawien wurden potentielle neue Feindbilder und sinngebende neue Aufgaben vielfältiger Art gefunden. Handelsinteressen, Völkerrecht, Bürgerkrieg und Menschenrechte sind plötzlich die Stichworte, unter denen deutsche Soldaten zum weltweiten Einsatz befohlen werden. Seinen Erfolg verdankte dieser außenpolitische Transformationsprozess einer Salamitaktik, durch die politische und verfassungsrechtliche Realitäten geschaffen wurden, die noch wenige Jahre vorher für undenkbar gehalten wurden - nicht selten von den Protagonisten der Veränderungen selbst. Die Bundeswehr tritt in der Welt in neuem Gewande auf: im Gewande des Interventionismus.
In diesem Prozess sind nicht nur die Ideale des Pazifismus, sondern auch Vorstellungen von alternativer Konfliktlösung in den Hintergrund getreten. Die Bundeswehr und ihr neues Selbstverständnis genießen inzwischen ein hohes Maß an gesellschaftlicher Akzeptanz; ihre grundsätzliche Existenz wird kaum noch in Frage gestellt. Dieser schleichenden Entwicklung der letzten Jahre wollen wir mit diesem Heft eine Stimme entgegenstellen, die sich zum Pazifismus bekennt und fragt: wozu noch diese Armee?
Die veränderte Aufgabenstellung hat jedoch ebenso wie sinkende Wehretats, ein zunehmendes Unbehagen mit der allgemeinen Wehrpflicht und jüngst das Urteil des EuGH zur Gleichbehandlung von Frauen in den Streitkräften auch Auswirkungen auf die Stellung und Struktur der Bundeswehr in unserer Gesellschaft. Die allgemeine Wehrpflicht als eine der intensivsten denkbaren Beeinträchtigung von Freiheitsrechten erscheint angesichts der veränderten Weltlage und den neuen Aufgaben der Bundeswehr nur noch schwer zu rechtfertigen. Die Neuformierung der Bundeswehr durch die Bundesregierung macht Wehrpflichtige zunehmend überflüssig und gerät zudem in Konflikt mit der Wehrgerechtigkeit. So erfüllt die Wehrpflicht mehr und mehr eine Alibifunktion. Trotzdem wird auch weiterhin totalen Kriegsdienstverweigerern ihre freie Gewissensentscheidung verweigert. Dabei sind gerade sie es, die immer wieder von neuem deutlich machen: wir wollen eine Welt ohne die Bereitschaft zum Einsatz militärischer Gewalt.