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Während sich freie Software, allen voran das Betriebssystem Linux, in
den letzten Jahren wachsender Popularität erfreut, lässt sich international
die Tendenz beobachten, immer mehr geistige Errungenschaften zu patentieren
und sie damit der exklusiven wirtschaftlichen Verwertung durch Einzelne
zu unterwerfen. Freie Software lässt sich als Gegenkonzept zur Exklusivität
geistigen Eigentums und damit zu fortschreitender Privatisierung von Wissen
im Bereich der Softwareentwicklung begreifen. Anders als beim Vorreiter
USA standen bislang der Patentierung von Software im Gebiet der Europäischen
Union das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) sowie nationale Patentgesetze
entgegen. Durch einen bereits im Vorfeld heiß diskutierten Richtlinienentwurf
über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen, den die
europäische Kommission im Februar 2002 vorlegte, könnte sich dies jedoch
bald ändern. Das Konzept freie Software ist dadurch existentiell bedroht.
Entgegen häufiger Missverständnisse handelt es sich bei freier Software
nicht einfach um solche, die kostenlos erhältlich ist. Gemeint ist damit
Software, an der der Allgemeinheit - in der Regel, wenn auch nicht notwendig
unentgeltlich - ein Vervielfältigungs-, Verbreitungs-, Nutzungs- und Bearbeitungsrecht
eingeräumt wird. Dies geschieht jedoch nicht ohne weiteres; vielmehr sind
sich die EntwicklerInnen ihrer Stellung als InhaberInnen entsprechender
Urheberrechte sehr wohl bewusst. Die Nutzung wird deshalb regelmäßig unter
bestimmten Auflagen mittels einer Lizenz eingeräumt. Die bekannteste freie
Softwarelizenz ist die "General Public License" (GPL) des GNU-Projektes,
neben der es eine Reihe weiterer freier Lizenzen gibt.
Freie Software setzt nach der GNU GPL begrifflich voraus, dass allen BenutzerInnen
die Freiheit eingeräumt wird, die Software für jeden Zweck zu benutzen,
das Programm zu verstehen und für eigene Zwecke anzupassen, Kopien anzufertigen
und weiter zu verbreiten und schließlich das Programm zu verbessern und
die Verbesserungen weiter zu verbreiten. Notwendige Voraussetzung hierfür
ist der freie Zugang zum Quellcode. 1
Grundidee ist also, dass Entwicklungen und Verbesserungen der gesamten
EntwicklerInnen- und NutzerInnengemeinschaft als Gemeingut zur Verfügung
stehen sollen. So existiert mittlerweile ein allgemein im Internet zugänglicher
Pool an Programmen, der beständig vergrößert und fortentwickelt wird;
darunter finden sich neben Varianten des Betriebssystems Linux Office-Anwendungen,
Browser, Datenbanken, Grafikprogramme und zahllose weitere Programme.
Der häufig synonym benutzte Begriff Open Source Software bedeutet dagegen
lediglich, dass der Quelltext der Programme der Allgemeinheit offengelegt
wird. Mit der bloßen Offenlegung des Quelltextes muss jedoch keine Einräumung
irgendwelcher Nutzungsrechte verbunden sein; freie Software stellt daher
einen Sonderfall quelloffener Software dar.
Im Gegensatz dazu wird bei proprietärer oder Closed Source Software der
Quellcode geheim entwickelt und nur der lauffähige Programmcode urheberrechtlich
gegen Entgelt lizenziert; der Quellcode bleibt jedoch geheim, so dass
Modifikationen oder Verbesserungen durch AnwenderInnen kaum möglich sind.
Die meisten etablierten Software-Unternehmen, etwa Microsoft, arbeiten
nach diesem Modell. 2
Rechtslage in Deutschland
Rechtlicher Schutz für Software-Entwicklungen wird derzeit in Deutschland
durch das Urheberrecht gewährleistet. 3
Geschützt ist damit das geistige Werk des/der EntwicklerIn - also das
Programm in seiner linguistischen Gestaltung -, nicht aber die zugrunde
liegende entwicklerische Erfindung, die wiederum Schutzgut des Patentrechts
ist.
Der urheberrechtliche Schutz für Software-Entwicklungen verträgt sich
- auch wenn dies auf den ersten Blick nicht so aussehen mag - durchaus
mit dem Konzept freier Software. Die GPL, genauer: das ihr immanente so
genannte copyleft, setzt Urheberrecht zu einem Zweck ein, der seinem eigentlichen
Zweck entgegen gesetzt ist: Statt geistige Werke exklusiv zugunsten Einzelner
zu schützen, gewährleistet copyleft, dass freie Software auch bei Veränderungen
oder Redistributionen frei für die Allgemeinheit verfügbar und nutzbar
bleibt. Dies geschieht, indem unter der GPL die Nutzung nur unter der
Bedingung lizenziert wird, dass weitere Kopien, Modifikationen oder Fortentwicklungen
des jeweiligen Programms ebenfalls wieder unter GPL gestellt werden. So
wird gleichzeitig sichergestellt, dass neue programmiertechnische Errungenschaften
der gesamten Gemeinschaft zugänglich sind. 4
Im Gegensatz dazu steht das Patentrecht der Idee freier Software kontradiktorisch
entgegen, da es nicht nur das konkrete Programm schützt, sondern die gesamte
dahinterstehende Problemlösungsstrategie unter ein Nutzungs- und Verwertungsmonopol
des/der PatentrechtsinhaberIn stellt. Während sich also Urheberrecht im
Sinne freier Software nutzen lässt, schließt Patentrecht nicht nur die
Nutzung und Verwertung der patentierten Programme durch die Gemeinschaft
aus, sondern verhindert zudem die Entwicklung alternativer Lösungen und
damit die Schaffung von Konkurrenz- und Anschlussprodukten zu patentierter
Software.
Was ist patentierbar?
Zwar ist nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 Patentgesetz (PatG) sowie Art. 52 II c
EPÜ Software generell nicht patentierbar, so dass bei oberflächlicher
Betrachtung keine Gefahr für freie Software erkennbar ist. Dies ist jedoch
nur auf den ersten Blick tatsächlich der Fall: Der Ausschluss der Patentierbarkeit
von Software nach § 1 Abs. II Nr. 3 PatG gilt nach § 1 Abs. 3 PatG nur
insoweit, als "für die genannten Gegenstände oder Tätigkeiten als solche
Schutz begehrt wird" - nur Software als solche ist also vom Patentschutz
ausgeschlossen. Daher drängt sich die Frage auf, was "Software als solche"
überhaupt ist.
Weder aus der Gesetzesbegründung noch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes
(BGH) lässt sich eine Definition dieses reichlich unscharfen Begriffs
entnehmen. Vielmehr wurde die Frage regelmäßig offen gelassen und nötigenfalls
die Patentierung von Computerprogrammen unter Hinweis auf die fehlende
Patentierungsvoraussetzung der Technizität abgelehnt.
5 Auch in der patentrechtlichen Literatur sind die Schwierigkeiten
offensichtlich, den Begriff mit Inhalt zu füllen; überwiegend wird daher
davon ausgegangen, dass "Software als solche" de facto gleichbedeutend
ist mit dem Technizitätserfordernis. 6
Hinter diesem Erfordernis verbirgt sich die Grundannahme, dass nur technischen
Erfindungen der Patentschutz offen stehen soll. Diesen - wiederum sehr
unscharfen und damit für zahlreiche Hintertürchen offenen - Begriff hat
der BGH im Jahr 1969 grundlegend definiert als eine ''[...] gewerblich
verwertbare neue fortschrittliche und erfinderische Lehre zum planmäßigen
Handeln unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Erreichung eines
kausal übersehbaren Erfolges". 7
Da sich dieser Definition wiederum nur schwerlich eine Eingrenzung des
Begriffs entnehmen lässt, ist die patentrechtliche Rechtsprechung und
Literatur seither von mehr oder weniger fruchtbaren Präzisierungsversuchen
durchzogen.
Insgesamt kann danach zumindest nicht behauptet werden, dass Computerprogramme
generell untechnisch, d.h. nicht patentfähig seien. 8
Festzugehalten ist jedenfalls, dass nach derzeitiger Rechtslage durchaus
ein Patentschutz für Software möglich ist, sofern es gelingt, einen auch
nur minimalen Technikbezug des Programms wenigstens argumentativ herzustellen.
Alles ist patentierbar!
Entgegen der allgemeinen ökonomischen Entwicklung der 90er Jahre hin
zu einem globalen Freihandel lässt sich zeitgleich der protektionistische
Trend beobachten, immer mehr Erfindungen zu patentieren und damit exklusiv
wirtschaftlich verwertbar zu machen. Waren Patentrechte ursprünglich als
Investitionsschutz für ErfinderInnen gedacht, so fand seit Anfang der
90er Jahre eine Funktionsverschiebung statt: Patentrechte werden zunehmend
zur Durchsetzung von Marktmachtansprüchen einzelner Unternehmen instrumentalisiert,
die so schwächere Konkurrenten aus dem Markt zu drängen suchen. Mit dem
Aufkommen der Internetwirtschaft etwa zur gleichen Zeit wurde Software
zum Wirtschaftsfaktor, auf den sich folglich solche Marktkämpfe bezogen.
Vorreiter dieser Entwicklung sind die USA, wo seit 1980 durch den Obersten
Gerichtshof festgelegt ist, dass "alles unter der Sonne vom Menschen Erschaffene"
patentierbar ist, solange es "novel, useful and non-obvious" ist, also
eine irgendwie neuartige, nützliche Erfindung, die nach dem gegenwärtigen
Erkenntnisstand nicht naheliegend ist. Nicht patentierbar sind lediglich
Naturgesetze, physikalische Phänomene und abstrakte Ideen, dafür aber
seit 1994 Computerprogramme und seit 1998 Geschäftsmethoden. Aufgrund
der denkbar geringen Patentierungsvoraussetzungen sind nicht nur Patente
für biotechnologische "Erfindungen" wie Krebsmäuse unproblematisch möglich,
sondern selbst für so weltbewegende Erfindungen wie Erdnussbutter-Marmelade-Brötchen.
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Parallel zu internationalen, insbesondere US-amerikanischen, Patentierungstrends
wurden die nach deutschem bzw. europäischem Recht bestehenden Patentierungsverbote
seit Beginn der 90er Jahre durch die Patentierungspraxis des Deutschen
Patent- und Markenamtes (DPMA) sowie des Europäischen Patentamtes (EPO)
immer weiter ausgehöhlt. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt wurden
zunehmend Patente für Software-Entwicklungen vergeben; faktisch war (ist)
es meist eine Frage geschickter Formulierung des Patentantrages, ob die
Patentierungsvoraussetzungen vom jeweiligen Patentamt für gegeben erachtet
werden. Mittlerweile wurden mehr als 30.000 europäische Patente für Software
erteilt.
Software-Patent-Richtlinie kommt
Wohl um diesen recht peinlichen Befund nachträglich zu legalisieren,
vordergründig jedoch mit dem Ziel, bereits gegenwärtig mehr oder weniger
vorhandene Rechtssicherheit zu schaffen, legte die Europäische Kommission
am 20. Februar 2002 den Entwurf einer Richtlinie über die Patentierbarkeit
computerimplementierter Erfindungen vor. Der zentrale und (deshalb) gleichzeitig
umstrittenste Satz des Richtlinienentwurfs lautet "[...] alle Programme,
die auf einem Computer ablaufen, sind per Definitionem als technisch anzusehen
(da es sich bei dem Computer um eine Maschine handelt)". Damit wird der
Begriff der Technizität derart umfassend definiert, dass faktisch eine
Patentierung jeglicher Software möglich ist.
Ob der Richtlinienentwurf tatsächlich so verabschiedet wird, ist derzeit
noch nicht absehbar, da er noch der Zustimmung des Europäischen Rates
sowie des Europäischen Parlaments bedarf. Angesichts zahlreicher Proteste
u.a. aus der freien EntwicklerInnen-Szene ist durchaus vorstellbar, dass
das Parlament den Entwurf ablehnen könnte.
Gefahren durch Software-Patente
Die durch den Richtlinienentwurf anvisierte umfassende Patentierbarkeit
von Software ist aus verschiedenen Gründen und gefährdet v.a. EntwicklerInnen
freier Software. Im Unterschied zum Urheberrechtsschutz von Programmen,
der durch Nachprogrammieren leicht umgehbar ist, monopolisiert der patentrechtliche
Schutz die hinter einem Programm stehende Erfindung, so dass jegliche
Verwirklichung der selben Funktionalität, gleich in welcher Ausdrucksform,
eine Patentverletzung darstellt. Um dies zu vermeiden sind umfangreiche
und teure Patentrecherchen notwendig, die sich die typischerweise alleine
arbeitenden EntwicklerInnen freier Software ebenso wenig leisten können
wie kleinere und mittelständische Softwarefirmen.
Hinzu kommt, dass die in aller Regel unentgeltliche Lizenzierung freier
Software die EntwicklerInnengemeinschaft nicht mit vergleichbaren finanziellen
Mitteln ausstatten kann, wie sie Anbieter proprietärer Software aufgrund
der entgeltlichen Lizenzierung zur Verfügung haben. Diesen ist so die
Verfolgung einer aktiven Patentrechtspolitik, insbesondere die Anmeldung
eigener Patentrechte sowie die Verteidigung derselben in Verletzungs-,
Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren, möglich, mittels derer kleinere,
finanziell schwachbrüstigere Konkurrenten vom Markt verdrängt oder durch
entsprechende Drohungen zu Zugeständnissen genötigt werden können. Besonders
gefährlich ist dies für freie Software, die typischerweise von zahllosen
nur sehr lose organisierten einzelnen ProgrammiererInnen entwickelt wird.
Zusätzlich macht es das Konzept der freien Software aufgrund des notwendig
offenen Quelltextes und der freien Verfügbarkeit der Programme im Internet
Unternehmen mit aggressiver Patentpolitik besonders einfach: Da Patentrechtsverletzungen
ohne größeren Aufwand im Quellcode recherchierbar sind, bedeutet dies
für freie EntwicklerInnen letztlich, dass praktisch jede Zeile programmierten
Codes eine Patentverletzungsklage nach sich ziehen könnte.
Softwarepatente privilegieren so faktisch Unternehmen, die es sich aufgrund
ihrer Marktmacht leisten können, diese zu verteidigen, und zementieren
so bereits bestehende Monopole. In Konsequenz wird so nicht nur das gesamte
Konzept freier Software in seiner Existenz gefährdet, sondern vor allem
die auf gegenseitigem Austausch basierende Fortentwicklung durch die EntwicklerInnengemeinschaft
unmöglich gemacht. Selbst eher patentfreundlich eingestellte Wirtschaftskreise
räumen ein, dass dies zumindest langfristig eine ernste Gefahr für Wettbewerb
und Innovation in der IT-Branche darstellt.
Ausblick
Die umfassende Patentierbarkeit von Software, wie sie im Richtlinienentwurf
vorgesehen ist, wird sich trotz zahlreicher Kritikpunkte kaum aufhalten
lassen. Einerseits wurde durch die Patentierungspraxis von DPMA und EPO
bereits Tatsachen geschaffen, die schwer umkehrbar sind. Schutzmechanismen
zugunsten freier Software, wie etwa die von Seiten verschiedener EntwicklerInnenverbände
geforderte Regelung, dass Patentrechte nicht durch freie Software verletzbar
sind, sind kaum durchsetzbar, obwohl mittlerweile auf nationaler wie europäischer
Ebene die Interessen freier EntwicklerInnen durchaus zur Kenntnis genommen
werden. Ihnen steht jedoch, wie in der Präambel des Richtlinienentwurfs
lapidar festgestellt wird, ein wirtschaftliches Übergewicht an Softwareunternehmen
gegenüber, die nach Patenten verlangen. Hinzu kommt, dass sowohl Deutschland
als auch die EU nur über einen begrenzten Handlungsrahmen verfügen: Sie
sind durch das TRIPS-Abkommen der World Intellectual Property Organization
(WIPO) gebunden, welches internationale Standards für die Ausgestaltung
des Patentschutzes definiert und in Art. 27 Abs. 1 Modifikationen des
Patentschutzes für einzelne Gebiete der Technik untersagt - somit sind
Sonderregelungen für Computerprogramme nicht möglich. Eine entsprechende
Regelung müsste daher auf der Ebene der WIPO durchgesetzt werden, was
nicht sonderlich realistisch erscheint.
Tanja Nitschke ist Rechtsreferendarin und lebt in Nürnberg.
Anmerkungen:
1 Vgl. www.gnu.org/philosophy/free-sw.de.html;
ähnlich www.opensource.org.
2 Vgl. Horns, JurPC Web-Dok. 223/2000,
Abs. 41 f.
3 Vgl. §§ 69 a ff UrhG.
4 Vgl.
www.gnu.org/copyleft/copyleft.html.
5 So jüngst BGH in: Zeitschrift für
Gewerberecht und Urheberrecht (GRUR) 2000, S. 498.
6 Vgl. ausführlich Max-Planck-Institut
/ Fraunhofer Institut, S. 132.
7 BGH GRUR 1969, 672, 673.
8 Vgl. Max-Planck-Institut / Fraunhofer
Institut, S. 132 ff.
9 Vgl. Möller in: tageszeitung
vom 8.11.2001, S. 17.
Literatur:
Axel H. Horns, Der Patentschutz für softwarebezogene Erfindungen
im Verhältnis zur "Open Source"-Software, JurPC Web-Dokument 223/2000
(www.jurpc.de).
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-,
Urheber- und Wettbewerbsrecht / Fraunhofer Institut Systemtechnik und
Innovationsforschung, Endbericht zur Patentierbarkeit von Softwareinnovationen:
www.bmwi.de/textonly/Homepage/download/technologie/Softwarepatentstudie.pdf.
Richtlinienentwurf:
www.europa.eu.int/comm/internal_market/de/intprop/intprop/index.htm.
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