Heft 3 / 2002:
Auf eigenes Risiko
Folgen der Privatisierung
xxx

Stephen Rehmke Zum ersten Artikel des Schwerpunkts Zum ersten Artikel des Forums Zur Rubrik Ausbildung Zur Rubrik Recht kurz Zum Sammelsurium Zur Rubrik Politische Justiz Zur BAKJ-Seite
Deutscher Minderheitenselbstschutz
 

Unter Hitlers letzten Opfern waren wohl zunächst einmal einige seiner besten Freunde. 1935 konnte die "Sudetendeutsche Partei" unter Führung des Nationalsozialisten Konrad Henlein 60 Prozent der sudetendeutschen WählerInnen hinter sich vereinen, in den 1938 stattfindenden letzten freien Kommunalwahlen waren es zwischen 80 und 90 Prozent. Zwischenzeitlich hatte Henlein in enger Abstimmung mit den Naziführern in Berlin eine Kampagne für die "gequälte, von Völkermord und Vertreibung bedrohte deutsche Minderheit" initiiert, an deren Ende die CSR unter Präsident Edvard Benes das Münchener Abkommen unterzeichnen und das sogenannte Sudetenland an Deutschland abtreten musste. Aus dem nunmehr als NS-Mustergau geführten Sudetenland flohen über 25.000 Jüdinnen und Juden, ihr Eigentum wurde umgehend "arisiert". Die verbleibenden 400.000 Menschen tschechischer Herkunft wurden in der Folge politisch und kulturell entrechtet und zur Zwangsarbeit verpflichtet. In dem späteren Eroberungs- und Vernichtungskrieg der Deutschen wurde auch die restliche CSR ausgelöscht. Über 250.000 ihrer jüdischen Staatsangehörigen wurden Opfer der Shoa.
Heute leben die Sudetendeutschen in Österreich und vor allem in Bayern, wo sie liebevoll als vierter Stamm bezeichnet werden und jedes Jahr mit breiter politischer Anteilnahme ein volkstümliches Fest feiern können. Unterstützt von ihren juristischen VetreterInnen reden sie weiterhin von Völkermord, und meinen immer noch sich und den an ihnen begangenen Tatbestand des Artikel II (c) der Völkermordkonvention von 1948, also der vorsätzlichen Auferlegung von Lebensbedingungen für eine Gruppe, die geeignet sind, deren körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen. So soll die damalige Ausweisung und Enteignung der Sudetendeutschen durch die sogenannten Benes-Dekrete der tschechoslowakischen Regierung gegen jenes zwingende Völkerrecht verstoßen haben. Die Bundesrepublik Deutschland sei daher verpflichtet, die Resultate als nichtig anzusehen und auf die Wiederherstellung der ursprünglichen Verhältnisse zu drängen. Wahrscheinlich vermag diese geschichtslose und juristisch obskure Überzeugung der Sudetendeutschen so manche politische Stellungnahme erklären, die in letzter Zeit dafür eintrat, der Tschechischen Republik den Beitritt zur Europäischen Union zu verwähren. An den Dekreten selbst dürfte es nicht liegen. Denn sie entwickeln nach Ansicht mehrer Rechtsgutachten heute keine rechtsgestaltende Wirkung mehr und dürfen ohnehin nicht den für die heimatverbundenen Sudetendeutschen interessanten Freiheitsrechten des Europäischen Gemeinschaftsvertrages wie die auf Niederlassung, Dienstleistung oder Mobilität entgegenstehen.

Stephen Rehmke