Heft 3 / 2002: Auf eigenes Risiko Folgen der Privatisierung |
Irini Kiriakaki | |
EGMR-Entscheidung zur Sterbehilfe | |
Am 29. 4. 2002 äußerte sich der Europäische Menschenrechtsgerichtshof
(EGMR) mit dem Urteil im Fall Diane Pretty gegen England erstmals zum
Thema Sterbehilfe. Die 43jährige Frau ist infolge einer Erkrankung des
Nervensystems vom Kopf an abwärts gelähmt und hat mit einem Tod durch
Ersticken und Lungenentzündung zu rechnen, den sie als würdelos empfindet.
Ein in England nicht strafbewehrter Selbstmord ist ihr jedoch nicht möglich,
sie bedürfte der Hilfe ihres Mannes, dem dann wegen Mithilfe beim Selbstmord
bis zu 14 Jahre Freiheitsstrafe drohten. Nach Ablehnung ihres vorsorglichen
Antrags an die nationale Anklagebehörde, im Falle eines Tätigwerdens ihres
Mannes von der Strafverfolgung abzusehen, reichte sie Beschwerde beim
EGMR ein. Unter anderem machte sie geltend, dass sich aus Art. 2 (Recht
auf Leben) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) die Freiheit
des Individuums ableiten lasse, über das Weiterleben oder Sterben zu entscheiden.
Infolgedessen bestehe eine Verpflichtung des Staates, die Ausübung dieses
Rechtes zum Sterben im nationalen Recht zu ermöglichen. Der EGMR wies
die Beschwerde in allen Punkten zurück. Er wandte ein, dass aus Art. 2
EMRK "kein Grundrecht auf den Tod, weder von privater Hand noch mit der
Hilfe einer öffentlichen Behörde abgeleitet werden könne". Dies gelte
auch für einen Anspruch auf "Selbstbestimmung" bezüglich des Todeszeitpunktes.
Daher könne niemand vom Staat fordern, seinen Tod zu erlauben oder zu
erleichtern. Der EGMR hält zudem ein generelles Verbot der Sterbehilfe
dann nicht für unverhältnismäßig, wenn flexible Behandlung in Einzelfällen
möglich ist. Er wies diesbezüglich darauf hin, dass die britische Justiz
dem Ehemann zwar für den Fall, dass er gegen das Sterbehilfe-Verbot verstoße,
keine Straffreiheit zusichere, sie aber nicht gehindert sei, in jedem
einzelnen Fall zu prüfen, ob eine Strafverfolgung "im öffentlichen Interesse"
liege. Irini Kiriakaki, LL.M., Freiburg
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