In den wenigen Sätzen zur landesrechtlichen Verfassungsmäßigkeit der „christlich abendländischen Wertevermittlung“ in Kindertagesstätten klingt bereits der intellektuelle Gestus des Urteils (Vf. 6-VIII-17) des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes (BayVerfGH) zum 2016 von der CSU verabschiedeten Bayerischen Integrationsgesetz (BayIntG) an. Im Gesetz wird „christlich“ „unabhängig von seiner religiösen Fundierung“ zum „Gemeingut des abendländischen Kulturkreises“ erklärt und „abendländisch“ als die „Grundwerte der westlichen Welt“ betreffend definiert. Hier deutet sich das an, was seit 1945 allgemein bekannt sein sollte: Dass es eben diese „Grundwerte“ waren, die in Barbarei umschlugen.
Der BayVerfGH hatte zu entscheiden über die Klage der Landtagsfraktionen SPD und Bündnis 90/ Die Grünen gegen das BayIntG, in dem der Begriff „Leitkultur“ die Vorstellung des Gesetzgebers von einer „Integrationspflicht“ Geflüchteter maßgeblich bestimmt. Die völkischen Implikationen, die der Begriff trägt, könnte man an dieser Stelle schon entfalten, ohne auf einzelne gesetzliche Bestimmungen einzugehen, die dieser Ideologie Rechnung tragen. Der BayVerfGH beschließt nur drei der umfassend beanstandeten Normen als für nicht mit der bayerischen Verfassung in Einklang stehend.
Ein „Integrationskonzept“ der „vollständigen Assimilation“ lehnt der BayVerfGH zwar ab, lässt dann aber eben dieses als wesentliche Zielrichtung des BayIntG unangetastet. Das Gericht gesteht dem Landtag die Kompetenz für „eigene Integrationskonzepte“ zu, auch wenn diese von bundesrechtlichen Konzepten abweichen.
Die Pflicht von Rundfunkanstalten, die als „identitätsbildender Grundkonsens“ definierte „Leitkultur“ zu propagieren, ging dem BayVerfGH dann aber doch zu weit. Rundfunkanstalten können nicht zum „Sprachrohr des Gesetzgebers“ und seiner Vorstellung einer „kulturellen Grundordnung“ gemacht werden, das verletze die Rundfunkfreiheit. Die bußgeldbewehrte Verpflichtung zur Teilnahme an Kursen über die „Werteordnung“ für Menschen, die „erkennen lassen“, dass ihnen die „freiheitlich, demokratische Grundordnung“ „gleichgültig“ ist, verstoße gegen die Meinungsfreiheit. Immerhin an diesen Stellen erkennt das Gericht die grundlegende Stoßrichtung des BayIntG. Schon beim Lesen der Präambel ist aber klar, was mit dem Gesetz beabsichtigt wird: die Homogenisierung der bayerischen „Gemeinschaft“ aus „Brauchtum, Sitten und Traditionen“.
Eine Gesellschaft, in der man, wie Theodor W. Adorno in der Minima Moralia schreibt, ohne Angst verschieden sein kann, sieht anders aus.