Hat eine Person Anspruch auf Sozialleistungen, wenn sie gerichtlich gerade über ihr Aufenthaltsrecht streitet? Das Sozialgericht Darmstadt hätte das gerne bejaht, sah sich aber durch die Rechtslage gehindert. Seine diesbezügliche Vorlage hat das Bundesverfassungsgericht am 26. Februar 2020 nun als unzulässig zurückgewiesen (Az. 1 BvL 1/20).
Im sozialgerichtlichen Ausgangsverfahren klagte eine alleinerziehende Rumänin auf die Bewilligung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch XII (SGB XII). Die Familie lebt seit 2010 in Deutschland; im Jahr 2018 wurde ihr von der Ausländerbehörde das Freizügigkeitsrecht abgesprochen und damit eine Ausreisepflicht auferlegt. Über ihre parallele Klage gegen diese sogenannte Verlustfeststellung hat das zuständige Verwaltungsgericht noch nicht entschieden, d.h. die Feststellung ist noch nicht bestandskräftig.
Ausländer*innen, die in Deutschland kein Aufenthaltsrecht haben, sind nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII von existenzsichernden Sozialleistungen ausgeschlossen. Das gilt nach dem Verständnis des Sozialgerichts Darmstadt auch für Menschen, deren Verlustfeststellung noch nicht bestandskräftig ist.
Genau hierin sieht das Gericht aber einen Verstoß gegen das durch die Verfassung geschützte Recht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.
Das Bundesverfassungsgericht hat diese zur Überprüfung vorgelegte Frage als formal unzulässig abgewiesen. Das Sozialgericht habe unzureichend ausgeführt, warum bei einer noch nicht bestandskräftigen Verlustfeststellung Sozialleistungen zweifelsfrei ausgeschlossen seien. Hinzu kamen im konkreten Fall zwei weitere Möglichkeiten, über Ausnahmeregelungen Sozialleistungen zu gewähren. Auch diese habe das Gericht nicht hinreichend berücksichtigt. Das Bundesverfassungsgericht sah letztendlich keinen zwingenden Grund, warum das Sozialgericht durch eine verfassungskonforme Auslegung nicht selbst zu dem gewünschten Ergebnis kommen könne.
Es scheint als sei dieser Fall mit zu vielen spezifischen Besonderheiten bestückt und damit nicht geeignet, um die vom Sozialgericht Darmstadt erhoffte grundsätzliche Existenzsicherung für Unionsbürger*innen zu erzielen, deren Aufenthaltsrecht noch nicht bestandskräftig aberkannt wurde. Vielmehr muss jetzt ohne die Abkürzung über Karlsruhe die im Raum stehende Rechtsfrage innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit gelöst werden. Die grundsätzliche Frage, ob ein Ausschluss von existenzsichernden Sozialleistungen zulässig ist, blieb leider insgesamt außer Betracht.