Der Prozess um die Internetplattform “linksunten.indymedia“ war eine der präsentesten Prozesse Anfang diesen Jahres. Nachdem das Bundesinnenministerium (BMI) die Plattform 2017 nach den G 20 Protesten per Vereinsrecht verbieten ließ, hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig am 29.01.2020 darüber zu entscheiden, ob fünf angebliche Betreiber*innen gegen das Verbot vorgehen können.
Im Zuge des Verbots wurden die Wohnungen der Kläger*innen durchsucht und mehrere Sachen beschlagnahmt. Das BVerwG entschied dennoch, dass die Betroffenen keine Klagebefugnis hätten (Az. 6 A 1.19 u.a.). Diese hätte nur der Verein als solcher und damit die fünf Kläger*innen nur, wenn sie sich als Verantwortliche präsentieren würden, auch wenn ihnen eine Mitgliedschaft nicht nachgewiesen sei. Dass diese Anforderung schon der Struktur der Internetplattform zuwiderläuft und durch die Konstruktion eines Vereins entstanden ist, wurde von dem Anwalt des BMI als Problem der Kläger*innen abgewiesen.
Damit enttäuschte das BVerwG viele Erwartungen. Da alle freiwilligen Zusammenschlüsse von zwei oder mehr Personen mit einem gemeinsam gebildeten Willen als Verein zählen können, ist es höchst problematisch Verbote über das Vereinsgesetz auszusprechen und damit Presse- und Meinungsfreiheit zu umgehen. Würde man die Seite als Telemedium werten, so hätte der Staat weniger Macht gehabt und wäre gezwungen gewesen vorerst mildere Maßnahmen zu ergreifen, wie das Löschen einzelner Posts durch die Landesmedienanstalten. Auch ist juristisch noch gar nicht geklärt, inwieweit anonyme Posts den Betreiber*innen von Internetplattformen überhaupt zurechenbar sind. Sollten die Kläger*innen sich jedoch als Verantwortliche präsentieren, würde ihnen höchstwahrscheinlich strafrechtliche Verfolgung drohen. Das harte Vorgehen gegen ‘‘linksunten.indymedia‘‘ war jedoch offensichtlich erwünscht. Die Plattform wird von Politik und Medien oft als gewalttätig und extremistisch dargestellt. Die Anwält*innen der Kläger*innen verwiesen darauf, dass nur 50 von 200.000 Beiträgen tatsächlich strafrechtsrelevanten Inhalt hätten, auch wurden Verfahren gegen die Plattform eingestellt, weil sich die Staatsanwaltschaft nicht nur auf Informationen des Verfassungsschutzes berufen wollte.
Letztendlich umging das BVerwG die tatsächlich relevanten Fragen und nahm sich die Mühe ab die eigenen Anforderungen an die Klagebefugnis bei Vereinen zu überdenken und damit eine inhaltlich relevante Entscheidung zu treffen. Die Anwält*innen der Kläger*innen wollen nun vor dem Bundesverfassungsgericht klagen.