In der aktuellen Pandemie nehmen wir alle Einschränkungen der gewohnten Freiheiten in Kauf. Ein Grundrecht, das dabei besonders gefährdet ist, ist die in Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz normierte Versammlungsfreiheit. Obwohl es einige Versuche gab Versammlungen unter Beachtung der Infektionsschutzmaßnahmen zu veranstalten, bestätigten Verwaltungsgerichte (VG) bis Mitte April etliche Untersagungsverfügungen. Selbstverständlich müssen die Gesundheit und das Leben von Menschen geschützt werden. Interessant an den ergangenen Entscheidungen der VG ist jedoch, dass die Bedeutung der Versammlungsfreiheit in einer Demokratie, von den Gerichten oftmals verkannt wurde und bis auf wenige Ausnahmen keine Ermessensspielräume genutzt oder angemessene Abwägungen stattgefunden haben.
So bestätigte das VG Hannover das Verbot einer Demo mit 15 Teilnehmer*innen, die einen Abstand von 2-3m halten wollten, weil sie in den allgemeinen Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen ein “faktisches temporäres Versammlungsverbot“ sahen und die Versammlungsfreiheit zweifellos, wobei hier eine Begründung fehlt, hintenanstehen müsse. Dass es höchst zweifelhaft ist, ob ein nicht „gänzlich ausgeschlossen-[es]“ Risiko ein komplettes Aussetzen des Grundrechts für diesen Zeitraum rechtfertigen kann, insbesondere da bestimmte Veranstaltungen durch ihre Thematik nur jetzt Sinn machen und die Wahl des Zeitpunktes den Veranstalter*innen obliegt, übergeht das Gericht. Das VG Dresden hingegen sah zwar kein komplettes Verbot von Demonstrationen in den Allgemeinverfügungen, konnte aber in einer Versammlung keinen triftigen Grund sehen, die eigene Wohnung zu verlassen. Besonders absurd erscheint die Urteilsbegründung vor dem Hintergrund, dass die 6- Personen- Demo als „unkalkulierbares Risiko“ beschrieben wird, gleichzeitig aber argumentiert wird, dass sie wohl kaum eine ausreichende politische Wirkung hat, um ihren Zweck zu erfüllen, obgleich diese Bewertung keinem Gericht obliegt. Dies sind nur zwei Beispiele zahlreicher ähnlicher Urteile.
Am 15.04.2020 schaltete sich nun endlich das Bundesverfassungsgericht ein und erinnerte an die Bedeutung des Art. 8 Abs. 1 GG (Az. 1 BvR 828/20). Dabei betonte es, dass immer eine Abwägung im Einzelfall stattzufinden habe und ein allgemeiner Verweis auf die Pandemielage nicht ausreiche, um das Grundrecht außer Kraft zu setzen. Wichtig sei dabei eine gute Zusammenarbeit zwischen Behörden und Veranstalter*innen. In der Folge konnten einige Versammlungen doch noch stattfinden. Angesichts der Bedeutung des Grundrechts eine wichtige und richtige Entscheidung.