Die BGH-Entscheidung vom 22.04.2020 zur Änderung des Geschlechtseintrags von Personen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität, deren biologisches Geschlecht dem „männlichen“ oder „weiblichen“ zugeordnet wird, war überfällig. Leider setzt es die Diskriminierung von Transpersonen, also Menschen, deren Geschlechtsidentität sich von ihrem biologischen Geschlecht unterscheidet, lückenlos fort (Az. XII ZB 383/19).
Hintergrund ist das Urteil des BVerfG zur sogenannten „Dritten Option“ von 2017, bei dem es der Klage einer Interperson, also einer Person, deren biologisches Geschlecht nicht den Kategorien „Mann“ oder „Frau“ entspricht, auf rechtliche Anerkennung ihrer Identität stattgab. Die Umsetzung des Urteils beschränkte sich dann auf die Einführung des § 45 b Personenstandsgesetz (PStG), nach dem Personen mit einer „Variante der Geschlechtsentwicklung“, grundsätzlich einer medizinischen Beschreibung für Intersexualität, ihren Geschlechtseintrag mit einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung in „divers“ ändern lassen konnten. Diese Lösung stiftete einiges Chaos: In der rechtswissenschaftlichen Literatur wurde dafür plädiert, den im Gesetz nicht genauer beschriebenen Begriff „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ auch auf nicht-binäre Transpersonen anzuwenden, denn beim verfassungsrechtlichen Schutz der Geschlechtsidentität wird – so auch das BVerfG zur „Dritten Option“ – gerade nicht auf körperliche Merkmale abgestellt. Das Innenministerium sah sich hingegen genötigt klarzustellen, dass Transpersonen keinesfalls von der neuen Regelung Gebrauch machen dürften.
Der BGH bläst nun in das Horn des Innenministeriums. Er prüft schulmeisterlich, ob § 45 b PStG auch Menschen mit einer „nur empfundenen Intersexualität“ umfasst und stellt fest, dass dies gegen das Regelungskonzept des Gesetzgebers verstoßen würde: Dieser hat für ein „nur empfundenes“ Geschlecht nun einmal das Transsexuellengesetz (TSG) vorgesehen. Daran ändere auch dessen unbestrittene Reformbedürftigkeit nichts (wurden doch die meisten Regelungen des TSG für verfassungswidrig erklärt). Nicht-binäre Transpersonen können sich nun also nur noch nach § 8 TSG eine Geschlechtsänderung erstreiten. Dem Beschluss des BGH ist handwerklich kaum etwas entgegenzuhalten, setzt man, dass § 8 TSG verfassungskonform ist. Ob aber das Erfordernis von zwei psychologischen Gutachten und einem Gerichtsverfahren einen verfassungskonformen Schutz der Geschlechtsidentität darstellt, kann bezweifelt werden. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte, die die Klage unterstützte, hat dementsprechend eine Verfassungsbeschwerde angekündigt.