Ist die Durchführung des Corona-Abiturs unfair? Das Verwaltungsgericht Berlin wies den Eilantrag einer Schülerin auf Verschiebung der unmittelbar bevorstehenden schriftlichen Prüfungen mit Beschluss vom 20. April 2020 zurück (Az. 3 L 155.20).
Mitte März wurden die Schulen und öffentlichen Einrichtungen aufgrund der Pandemie geschlossen. Trotzdem würde die Durchführung der Abiturprüfungen auf der Kultusministerkonferenz vom 25. März 2020 beschlossen. Die Antragstellerin lebt mit ihren arbeitslosen Eltern und einem Bruder in einer 2 ½ Zimmer Wohnung. Sie machte geltend, dass die häuslichen Bedingungen sie an einer angemessenen Prüfungsvorbereitung hinderten. Aufgrund der Geräuschbelastung, könne sie sich nicht konzentrieren. Sie verfüge über keinen eigenen Laptop und könne sich nicht wie geplant in der Bibliothek vorbereiten. Auch sei ein Austausch mit ihren Mitschüler*innen aufgrund des Kontaktverbots unmöglich. Im Vergleich zu privilegierten Schüler*innen mit eigenem Zimmer und Schreibtisch sei sie benachteiligt.
„Die Schule ist inklusiv zu gestalten, so dass die gemeinsame Unterrichtung (…) sowie das gemeinsame Lernen der Schüler*innen verwirklicht, Benachteiligungen ausgeglichen und Chancengleichheit hergestellt werden.“ Leider vermittelt dieser schöne Satz aus § 4 Abs. 2 S. 2 SchulG Berlin keine individualrechtlichen Ansprüche. Das Gericht führt aus, dass Stress und Ängste zum Risikobereich der Prüflinge gehören. Ein Prüfungsrücktritt, sei nur aufgrund psychischer Erkrankungen mit ärztlichem Attest möglich. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus dem prüfungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit gemäß Art. 3 I GG. Zwar sind auch äußere Vorbedingungen für Prüfungserfolge wie eine angemessene Vorbereitungszeit umfasst, doch stoße die Gewährung gleichartiger Startbedingungen an tatsächliche Grenzen. Die geltend gemachten Umstände stellen soziale Belastungen dar und seien von der Prüfungsbehörde nicht beeinflussbar. Damit sei sie nicht alleine, denn es betreffe ja viele Bildungsbenachteiligte. Zudem rechtfertigen sachliche Gründe die Unwägbarkeiten mit Blick die Chancengleichheit. Die Durchführung verfolge laut Gericht das Ziel, die Schüler*innen in ihrer Bildungsbiographie langfristig nicht zu benachteiligen und die Chancengleichheit des diesjährigen Abiturjahrgangs gegenüber anderen Jahrgängen zu wahren.
Das VG erkennt hier, dass das Bildungssystem generell unfair ist, ob mit Corona oder ohne. Die Chancen der Einzelnen hängen von den jeweiligen materiellen Umständen ab. Da hilft auch kein Grundgesetz.