Deutschland gehört zu den Vertragsstaaten der UN-Behindertenrechtskonvention. Es besteht daher die Verpflichtung ein integratives Schulsystem zu gewährleisten, in dem Kinder nicht aufgrund einer Be_hinderung vom Regelschulbesuch ausgeschlossen werden dürfen. Mit Blick darauf bestand die Mutter einer Schülerin mit Förderbedarf im Schwerpunkt Lernen und sozial-emotionale Entwicklung auf die integrative Beschulung ihrer Tochter. Da das Jugendamt das Kindeswohl bei einem Verbleib in der Regelschule als gefährdet ansah, regte es beim Familiengericht einen teilweisen Entzug der elterlichen Sorge an. Grund dafür war die Befürchtung, der Verbleib auf der Regelschule würde zur fortgesetzten Überforderung des Kindes führen. Daraufhin wurde der Mutter das Recht zur Regelung schulischer Belange entzogen. Dagegen und gegen die Beschwerdezurückweisung des OLG wandten sich Mutter und ihre Tochter mit einer Verfassungsbeschwerde.
Den zeitgleich gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das BVerfG nun abgelehnt. Der – möglicherweise verfassungswidrige – Entzug der elterlichen Sorge und die damit folgende Beschulung auf einer Förderschule sei das geringere Übel mit Blick auf das Kindeswohl. In der Kritik steht diese Entscheidung, da sich das BVerfG bei seiner Prognose auf die Tatsachenfeststellungen der angegriffenen Entscheidungen gestützt hat. Das BVerfG darf dies nur, wenn feststeht, dass die Gerichte der vorherigen Instanzen die maßgeblichen Vorschriften richtig angewendet haben. Dies sei nicht der Fall, da die Gerichte von einer Kindeswohlgefährdung ausgegangen sind, wenn die Schülerin auf einer Regelschule beschult wird. Hinter dieser Kritik steht folgende Erwägung: Der Unterricht an Förderschulen und der an Regelschulen müssen qualitativ gleichwertig nebeneinanderstehen. Damit soll das unbedingte und vorbehaltlose Recht der Eltern über die Wahl der Schulart gesichert werden. Mit der Annahme, eine integrative Beschulung gefährde das Kindeswohl, entziehe sich der Staat seiner Verantwortung, Bedingungen für das Gelingen der inklusiven Beschulung herzustellen. Obgleich die Schülerin an ihrer Schule nur drei Stunden täglich unterrichtet wurde, hat sich das BVerfG nicht dazu geäußert, inwiefern die staatlichen Stellen dieser Aufgabe nachgekommen sind. Auch die Frage, ob eine spätere Rückkehr zur Regelschule für die Schülerin überhaupt noch möglich ist, sollte das Verfassungsgericht zu dem Ergebnis der Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Entscheidungen kommen, wurde nicht thematisiert.