Mit dem Instrument der Nebenklage können Betroffene schwerer Straftaten in einem Strafprozess ihrer Sicht auf das Tatgeschehen Gehör verschaffen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Beschluss (Az. 3 StR 214/20) die Rechte der Nebenklage gestärkt. Der Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in dem ein 14-Jähriger versuchte, seine Pflegeeltern im Schlaf zu erstechen. Die Pflegeeltern überlebten schwer verletzt. Bei dem Prozess vor dem Landgericht Koblenz standen der Vorwurf des versuchten Mordes in zwei Fällen und der gefährlichen Körperverletzung im Raum. Die Pflegeeltern wurden als Nebenkläger:innen zugelassen, doch zur Verwunderung des Gerichtes wirkten sie auf einen Freispruch des Jugendlichen hin. Sie stellten mit zahlreichen Anträgen insbesondere dessen strafrechtliche Verantwortlichkeit und Schuldfähigkeit in Frage. Das Gericht hielt dieses Prozessverhalten für unvereinbar mit dem Institut der Nebenklage und hob die Zulassung der Nebenklage durch Beschluss wieder auf. Dies sah der BGH anders und erklärte, ein Anschluss der Nebenklage an den Prozess sei auch dann zulässig, wenn die Nebenklage auf einen Freispruch hinwirke.
Diese Entscheidung ist gemäß dem Zweck der Nebenklage nur folgerichtig. Sie soll den Betroffenen eine aktive Vertretung ihrer Interessen im Prozess ermöglichen. Dieses Verständnis der Nebenklage gilt seit Einführung des Opferschutzgesetzes von 1986. Betroffene waren vor der Reform vor allem als Zeug:innen Beweismittel und als solche lediglich Objekt des Prozesses. Die Betroffenen waren (und sind dies auch heute noch) im Zeug:innenstand oftmals unangenehmen, provokanten Fragen von der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung ausgesetzt. Besonders bei Delikten gegen die körperliche oder sexuelle Freiheit kann dies mitunter retraumatisieren.
Die Reform von 1986 befreite die Betroffenen aus dieser rein passiven Rolle im Strafverfahren und wies ihnen eine selbstständige, aktive Rolle als Verfahrensbeteiligte zu. Nebenkläger:innen sind seither mit umfangreichen eigenen Verfahrensrechten ausgestattet. Sie können unter anderem Frage- und Beweisantragsrechte wahrnehmen oder Anordnungen des/der Vorsitzenden beanstanden. Die Nebenklage ist hingegen nicht – und darauf weist auch der BGH zurecht hin – eine Verdopplung der Anklage. Sie muss daher nicht ausschließlich auf die Verurteilung des/der Angeklagten hinwirken. Nur wenn die Nebenklage eigenständig ihre Interpretation des Tathergangs in den Prozess einbringen kann, sei es, indem sie den Freispruch des/der Angeklagten fordert, wird die Nebenklage als Prozesssubjekt ernst genommen.