Im dynamischen Infektionsgeschehen der vergangenen Monate hat es auch immer wieder Änderungen im Umgang mit Prostitution gegeben. Die Ziel- und Schwerpunktsetzung der Verwaltungsgerichte zeigt sich an mehreren Entscheidungen deutlich.
Anfang September 2020 entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) LSA (3 R 156/20) Prostitutionsstätten wieder zu öffnen – eine Schließung sei nicht mehr notwendig. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Infektionslage wieder etwas entspannt und es wurden zunehmend Lockerungen vorgenommen.
Die Entscheidung setzt bei der Antragstellerin an, die Vermieterin zweier Terminwohnungen ist und sich beträchtlichen wirtschaftlichen Nachteilen ausgesetzt sähe. Es wurde zudem die verordnungsgeberische Wertung aufgegriffen, Kontaktbeschränkungen seien zwar wichtiges, aber nicht einziges und favorisiertes Mittel des Infektionsschutzes. Es ginge vor allem darum Infektionsketten nachvollziehen zu können. Weiterhin Beachtung findet der Diskretionswunsch vieler Freier, dem aber mit einer Pflicht zur Vorlage von Ausweispapieren begegnet werden könne. Außerdem zieht das OVG LSA den räumlichen Vergleich zu Diskotheken, in denen sich viel mehr Menschen auf engerem Raum bewegten.
Das OVG Lüneburg nimmt in seiner Entscheidung 13 MN 185/20 Ende Mai demgegenüber auch die konkreten Leistungen mit in den Blick und konstatiert, dass eine Corona-konforme Ausübung sexueller Tätigkeiten „schlechterdings lebensfremd“ sei. (ähnlich auch OVG NRW 13 B 1655/20). Trotz dieser Ausführungen blieb die Ausübung von Prostitution in Privatwohnungen und Hotelzimmern unberührt.
Mit dem Argument, es habe keine „Super-Spreader“-Ereignisse im Bereich der Prostitution gegeben, ändert das OVG Lüneburg Ende August (13 MN 307/20) seine Position. In dieser Entscheidung verschiebt sich zudem der Fokus vom Individualschutz auf den öffentlichen Zweck des Gesundheitsschutzes. So wird ausgeführt, dass „der völlige Ausschluss einer Infektionsgefahr (…) weder realistisch erscheint, noch vom Verordnungsgeber beabsichtigt ist.“
Hier offenbart sich, was sich bereits im Vorangegangenen abgezeichnet hat: eine Politik, die gar nicht den Anspruch hat, jedeN vor der Pandemie zu schützen, sondern eine, die menschliche Kollateralschäden in Kauf nimmt. Zudem sucht man vergeblich nach der Einbeziehung der häufig von Zwang geprägten konkreten Arbeitsbedingungen. Wenn man bedenkt, dass bis heute der Großteil der Prostituierten ohne finanzielle Hilfen dar stehen, zeigt sich vor allem eines: Beim Thema Corona und Prostitution denkt man an vieles, nur nicht an die Prostituierten.