Das Urteil des Landgerichts (LG) Frankfurt vom 03.12.2020 (Az. 2-13 O 131/20) betraf eine Person, die bei einem Eisenbahnunternehmen online eine Fahrkarte erwerben wollte. Das Personenstandsregister enthielt noch eine Geschlechtsangabe, doch konnte sie sich seit langem keinem Geschlecht zuordnen.
Das Unternehmen verwendete im Rahmen des Online-Verkaufs eine Eingabemaske. Kaufwillige wurden aufgefordert, eine Anrede zu wählen. Die Möglichkeiten bestanden zwischen „Herr“ und „Frau“. Ohne Angabe konnte der Kaufprozess nicht fortgeführt werden, weshalb die klagende Person ein Kreuz setzte. Im Anschluss erhielt sie personalisierte Angebote. Mit der Klage begehrte sie Unterlassung und Schadenersatz.
Das LG billigte den Unterlassungsanspruch zu und stützte ihn auf den allgemeinen Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch analog in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (APR). Unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Dritten Geschlecht aus dem Jahr 2017 (Az. 1 BvR 2019/16) führte das LG aus, wie das APR den Schutz der geschlechtlichen Identität beinhalte, worunter auch die persönliche Anrede falle, wenn auch eine Änderung des Personenstandsregisters noch nicht erfolgt sei.
Ein Schadenersatzanspruch erkannte das LG gleichwohl nicht an. Hierfür lägen die bei einer APR-Verletzung geforderten Kriterien nicht vor, da es sich bei Anreden in Angebotsschreiben nicht um schwerwiegende Verletzungen handele. Interessant dabei ist, dass sich das LG bei der Beurteilung der Verletzungsschwere des Arguments bedient, dass es dem Unternehmen nicht auf die Falschadressierung angekommen wäre, sondern dies „nur Reflex massenhafter Abwicklung standardisierter Vorgänge“ sei. Anders noch führte es beim Unterlassungsanspruch aus, dass sich die Angebotsschreiben konkret an eine Einzelperson richteten und zog die Grenze zur BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2018 zur Verwendung des generischen Maskulinums (Az. VI ZR 143/179). Hier erhob die Klägerin erfolglos den Anspruch gegen eine Sparkasse, Formulare zu verwenden, in denen sie als weibliche Person genannt wurde. Wo das LG den Unterlassungsanspruch mithilfe der Abgrenzung zum Formular-Massengeschäft aufgrund der individuellen Anrede begründet, zieht es bei der Ablehnung des Schadenersatzanspruches das Argument des Massenbetriebs und der damit verbundenen Unpersönlichkeit wieder heran. Das Urteil des LG ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, doch muss für die Durchsetzung von APR-Verletzungen ein Gleichlauf zwischen Unterlassung und Schadenersatz gegeben sein.