Am 24.06.2021 entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass ausländische Pflegekräfte einen Anspruch auf Mindestlohn haben (Az.: 5 AZR 505/20). Der Anspruch gilt dabei für Arbeits- wie für Bereitschaftszeiten. Im zugrundeliegenden Fall hatte eine aus Bulgarien stammende Pflegekraft geklagt, die von April 2015 bis September 2016 eine 90-Jährige betreute und mit dieser in einem Haushalt lebte. Laut Vertrag sollte sie 30 Stunden die Woche arbeiten und mit dem damals üblichen Mindestlohn von 8,50 Euro bezahlt werden. In der Realität arbeitete sie jedoch rund um die Uhr auf Abruf für die pflegebedürftige Rentnerin. Nachdem sie Freizeit einforderte, wurde ihr schließlich gekündigt.
Das BAG stellte ebenso wie die Vorinstanzen fest, dass entgegen den vertraglich vereinbarten 30 Stunden Arbeitszeit, eine Rundumpflege stattgefunden hätte und die Erbringung dieser Leistung auch von der Pflegekraft verlangt worden wäre. Darüber hinaus müsse das Mindestlohngesetz in solchen Fällen immer Anwendung finden, auch wenn Verträge nicht-deutschem Arbeitsrecht unterlägen, wie es in der Pflege häufig der Fall ist. Der Fall wurde nun zurück an das Landesarbeitsgericht verwiesen.
Die Reaktionen auf das Urteil fielen recht unterschiedlich aus. Während ein großer Teil der Medien befürchtete, dass Pflege in Zukunft schlicht unbezahlbar werde, beklagten Verbände und betroffene Pflegekräfte die geringe Reichweite. Ein Großteil der Pflegekräfte, insbesondere die nicht aus Deutschland stammenden, arbeiteten nicht legal und hätten entweder aus wirtschaftlicher Abhängigkeit oder mangels Zugangs zum deutschen Rechtssystem keine Möglichkeit faire Entlohnung einzuklagen. Auch wird angezweifelt, ob faire Arbeitsverhältnisse im momentanen Pflegesystem überhaupt funktionieren würden. Laut Bundesverband der Betreuungsdienste verdienen osteuropäische Pflegekräfte momentan etwa 2,08 Euro an Stundenlohn, wobei die meisten wie im Fall vor dem BAG, 24 Stunden am Tag abrufbar sind. Viele von ihnen sind auf ihre Arbeit angewiesen und befürchten den Verlust, wenn sie gerechte Löhne einfordern. Wie groß ihr Anteil in der Pflege ist, kann nur geschätzt werden, es wird jedoch davon ausgegangen, dass sie einen Großteil der häuslichen Pflegekräfte bilden. Auf der anderen Seite stehen pflegebedürftige Personen, die auf ihre Hilfe angewiesen sind, sich eine faire Entlohnung jedoch nicht immer leisten können. Dass der Staat die Problematik ignoriert und ein System ausnutzt, dass vor allem nichtdeutsche Pflegekräfte ausbeutet, kann auch ein Urteil des BAG nicht ändern.