Bereits im November 2020 wurde am Amtsgericht Bremen (Az.: 96 Ds 225 Js 26577/20) ein Verfahren gegen den fundamentalistischen Pastor Olaf Latzel geführt. Latzel, der bereits in der Vergangenheit durch diskriminierende Äußerungen gegenüber anderen Religionen aufgefallen war, hatte sich in einem Eheseminar, das auch auf Youtube hochgeladen wurde, schwulen- und lesbenfeindlich geäußert und beledigend über Gendertheorien gesprochen. Das Gericht sah darin ein Aufstacheln zum Hass und verurteilte den Pastor wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 8100 Euro.
Latzels Anwalt legte nun Berufung vor dem Landgericht Bremen ein, welches in Vorbereitung auf die Verhandlung ein theologisches Gutachten angefordert hat. Das Gutachten soll prüfen, ob die Aussagen Latzels von der Bibel gedeckt seien und falls ja, was dies für die Ausübung der Pastor*innentätigkeit bedeute. Fällt das Gutachten zu Latzels Gunsten aus, müsse eventuell die Religionsfreiheit stärkere Beachtung im Urteil finden. Gutachter ist auf Empfehlung von Latzels Anwalt der Theologe Christoph Raedel. Seinerseits bekannt für seine fundamentalistischen Ansichten und Mitglied in zahlreichen konservativen Organisationen, wie den “Christdemokraten für das Leben“, die Schwangerschaftsabbrüche generell verbieten möchten. Auch riet Raedel bereits selbst homosexuellen Menschen zur „vergessenen Tugend der Enthaltsamkeit“ und sympathisiert mit der Ansicht, Homosexualität könne und solle mithilfe von Therapien bekämpft werden. Solche „Konversionstherapien“ sind erst seit 2020 verboten, wobei dieses Verbot nur für die Anwendung bei Minderjährigen und eingeschränkt bei Erwachsenen, die Willensmängel aufweisen, gilt.
Gegen das Vorgehen des Landgerichts wurde vielfach Protest laut. Neben mehreren Kirchenfunktionär*innen, die sich von den Aussagen Latzels und Raedels distanzierten, wurde die Entscheidung des Gerichts auch von Jurist*innen scharf kritisiert. Die Religionsfreiheit finde ihre Schranken in der Kollision mit anderen Grundrechten. Da die Menschenwürde als oberstes Gut zu schützen sei und der Tatbestand der Volksverhetzung einen Angriff auf diese darstelle, könne dieser durch die Religionsfreiheit nicht gedeckt sein.
Die Staatsanwaltschaft hat mittlerweile beantragt, Raedel als Gutachter abzulehnen. Der Prozessbeginn wird allerdings frühestens Anfang 2022 erwartet. Bis dahin darf Olaf Latzel weitermachen wie bisher. Ein kirchliches Disziplinarverfahren wurde bis zur Entscheidung des Gerichts vertagt und eine vorübergehende Freistellung vom Dienst musste auf Beschwerde Latzels, ausgesetzt werden. Bleibt zu hoffen, dass sich das zumindest nach dem Prozess ändern wird.