Sie sind kaum noch von deutschen Straßen wegzudenken: Rider – Lieferant*innen auf Fahrrädern oder Rollern – beliefern die urbane Mittelschicht mit Essen und sonstigen Dingen des täglichen Bedarfs. Für die Branche „Food Delivery“ wird in Deutschland für 2022 ein Umsatzvolumen von 6,8 Milliarden Euro erwartet. Doch nicht nur die rasanten Wachstumszahlen stehen im öffentlichen Blickpunkt. Auch die Arbeitsbedingungen der Rider beschäftigen die Medien, sowie zunehmend die deutschen Arbeitsgerichte. Geklagt wird über und gegen unterschiedliche Missstände. Viele Rider beschweren sich über ausbleibende oder falsche Gehaltszahlungen, schlechten Arbeitsschutz und mangelnde Ausrüstung. So müssen sie etwa häufig von ihrem kargen Verdienst noch die Reparaturen ihrer Fahrräder bezahlen.
Am 10.11.2021 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden (5 AZR 334/21), dass Lieferando seinen als Arbeitnehmer*innen beschäftigten Ridern ein Fahrrad und ein Mobiltelefon zur Verfügung stellen muss. Der Anspruch darauf, die für die vereinbarte Tätigkeit essentiellen Betriebsmittel gestellt zu bekommen, ergibt sich unmittelbar aus § 611a Abs. 1 BGB i.V.m. mit dem Arbeitsvertrag. Der Rider hatte für die Abnutzung seines Fahrrades 0,25 € pro Arbeitsstunde erhalten, für die obligatorische Nutzung seines privaten Mobiltelefons wurde er gar nicht entschädigt. Daher verlangte er sowohl die Zurverfügungstellung eines Mobiltelefons als auch eines Fahrrades. Das Arbeitsgericht der ersten Instanz hatte seine Klage noch abgewiesen, Landesarbeitsgericht und BAG gaben ihr statt. Gleichzeitig stellt das BAG fest, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen in Arbeitsverträgen, welche die Arbeitnehmer*innen dazu verpflichten, zwingend notwendige Arbeitsmittel selbst bereitzustellen, unwirksam sind. Die 0,25 € pro Stunde, welche zudem nur bei einem von Lieferando bestimmten Unternehmen eingelöst werden konnten, stellten keine angemessene Kompensation dar.
Juristisch betrachtet ist das BAG-Urteil nicht überraschend. Wer würde schon von einem Koch erwarten, dass er seine eigenen Töpfe mitbringt. Oder von einer Ärztin, dass sie die Medikamente und Instrumente für eine Operation stellt? Zwar stellen die Fahrradlieferdienste ihre Rider zunehmend als Arbeitnehmer*innen ein. Ihre Arbeitsrechte müssen diese aber oftmals über den Klageweg erstreiten, was sich angesichts der zumeist befristeten Arbeitsverträge nur wenige trauen. Gewerkschaftliche Organisation, der Kampf um Tarifverträge und die Wahl von Betriebsräten werden daher zunehmend als probates Mittel des kollektiven Widerstands erkannt und angewandt.