Geschlechtsbezogene Motive bei der Begehung von Straftaten sollen künftig strafschärfend berücksichtigt werden. Das geht aus einem Referent*innenentwurf des Bundesministeriums für Justiz (BMJ) vom 19.07.2022 hervor. Das geplante „Gesetz zur Reform des Sanktionenrechts“ sieht unter anderem eine Erweiterung des § 46 Abs. 2 Strafgesetzbuch vor, der die Grundsätze der Strafzumessung regelt. Die dort genannten berücksichtigungsfähigen Gesichtspunkte bei der Strafzumessung, sollen um geschlechtsspezifische und gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Beweggründe ergänzt werden. In der bisherigen Fassung der Norm werden ausdrücklich „rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende“ Beweggründe genannt. Misogyne oder queerfeindliche Vorurteilsmotive können theoretisch auch nach bereits geltendem Recht als „sonstiger menschenverachtender Beweggrund“ strafschärfende Berücksichtigung finden. Die Novellierung hat also primär eine klarstellende Funktion.
Das BMJ erklärt diesen Schritt damit, „ein klares Zeichen gegen Hasskriminalität“ setzen zu wollen. In der Begründung des Entwurfs verweist es insbesondere auf die Ausmaße verschiedener Formen geschlechtsbezogener Gewalt in Deutschland. Ausdrückliche Erwähnung finden etwa der Anstieg sogenannter Partnerschaftsgewalt, Femizide sowie Hassrede im Netz. Zudem setzt sich der Entwurf vertieft mit problematischen Rechtsprechungstendenzen im Sexualstrafrecht und bei der strafrechtlichen Bewertung von Femiziden auseinander.
Das Problembewusstsein, das in dem Entwurf zum Tragen kommt, ist erfreulich und es erscheint grundsätzlich als wünschenswert, dass die Bekämpfung patriarchaler Gewalt zunehmend auf die (rechts-)politische Agenda rückt. Misogynie, Sexismus oder Queerfeindlichkeit als Tatmotiv in strafrechtlichen Urteilen künftig ausdrücklich zu benennen, kann dazu beitragen, die strukturelle Dimension dieser Gewaltformen zu verdeutlichen. Dennoch stellt ein derartiges „Zeichen“ der Politik natürlich keine hinreichende Antwort auf geschlechtsbezogene und queerfeindliche Gewalt dar. Anstelle von – kostengünstig umsetzbaren – Strafrechtsverschärfungen, sollten langfristig finanzierte Präventions- und Schutzkonzepte im Fokus stehen. Zudem setzt das Erkennen solcher Vorurteilsmotive eine entsprechende Sensibilisierung der Justiz und der Ermittlungsbehörden voraus, die derzeit oft fehlt.
Die Reform sollte also nicht den Blick auf die fortbestehenden Defizite des Strafrechtssystems verstellen. Erforderlich sind intersektionale Ansätze, um patriarchale Gewalt zu verhindern. Dem Strafrecht kann dabei nur eine untergeordnete Rolle zukommen.