Mit Urteil vom 24.05.2022 (Az. 6 C 9.20) hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden, dass auch infrastrukturelle Einrichtungen eines Protestcamps dem Schutz von Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unterfallen.
Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob ein Grundstück, das während des Klimacamps 2017 im rheinischen Braunkohlerevier Garzweiler zu Übernachtungszwecken vorgesehen und mit Schlafzelten und Sanitäranlagen ausgestattet war, dem Protestcamp als durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützte Versammlung zuzurechnen ist. Während die Aachener Polizeibehörde und das erstinstanzliche Verwaltungsgericht dies verneinten, entschied das Oberverwaltungsgericht Münster 2020 im Berufungsverfahren, dass auch die für die Übernachtung benötigte Infrastruktur von der Versammlungsfreiheit geschützt sei.
In der Revision bestätigte das BVerwG, dass eine infrastrukturelle Einrichtung eines Protestcamps dem unmittelbaren, durch das Versammlungsgesetz ausgestalteten Schutz durch Art. 8 Abs. 1 GG nicht erst dann unterfällt, wenn sie einen direkten inhaltlichen Bezug zu der mit dem Camp bezweckten Meinungskundgabe aufweist, sondern bereits wenn sie für das konkrete Camp logistisch erforderlich und ihm räumlich zuzurechnen ist.
Bislang gab es für die Frage, ob und inwieweit Art. 8 GG die Durchführung von Protestcamps im Ganzen schützt, keine klaren Leitlinien. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) äußerte 2017 in einem Eilverfahren zu einem Protestcamp im Kontext von G20 lediglich den Hinweis, dass das Thema „schwierige und in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung ungeklärte Fragen“ aufwerfe (Az. 1 BvR 1387/17). Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist Kernelement der Versammlungsfreiheit in ihrer demokratisch-teilhaberechtlichen Dimension jedoch das Selbstbestimmungsrecht der Veranstalter:innen. Und jenes bezieht sich eben nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Form der Versammlung. Es ist also richtig, dass das BVerwG mit dem Kriterium der logistischen Notwendigkeit lediglich danach fragt, ob das Camp ohne die zusätzlichen Übernachtungsmöglichkeiten in gleicher Weise hätte stattfinden können und keinen darüberhinausgehenden thematisch-konzeptionellen Bezug verlangt.
Mit der Entscheidung etabliert das BVerwG einen weitreichenden akzessorischen Schutz notwendiger Protestinfrastrukturen und fällt damit ein Grundsatzurteil, das der Offenheit des Versammlungsbegriffs für neue Protestformen Rechnung trägt. Zugleich gräbt es vielen versammlungsbezogenen Repressionen der letzten Jahre das Wasser ab und ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Rechtssicherheit für Protestcamps.