In einer erfreulichen Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Rechte von Angehörigen subsidiär Schutzberechtigter gestärkt (C‑768/19).
Geklagt hatte im Ausgangsfall der Vater eines zunächst minderjährigen afghanischen Staatsangehörigen, der unbegleitet eingereist war. Letzterer hatte bereits 2012 einen Asylantrag gestellt. Erst vier Jahre später, im Mai 2016 und damit nach Eintritt der Volljährigkeit im April 2016, erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ihm den subsidiären Schutzstatus nach § 4 Asylgesetz (AsylG) zu. Sein Vater war im Januar 2016 eingereist und hatte formlos um Asyl ersucht, den förmlichen Antrag kurz nach dem 18. Geburtstag seines Kindes gestellt. Das BAMF lehnte den Antrag des Vaters ab, wogegen dieser klagte. Im Verlauf hatte sich der EuGH nach Vorlage durch das Bundesverwaltungsgericht mit den nun entschiedenen Fragen zu befassen.
Kern des Rechtsstreits war § 26 Abs. 3, Abs. 5 AsylG, der insbesondere den Eltern eines minderjährigen Schutzberechtigten vermittelt über den Status des Kindes einen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gewährt. Die Norm setzt die EU-Richtlinie 2011/95/EU in nationales Recht um. Diese benennt ihrerseits in Art. 2 j) Spiegelstrich 3 berechtigte Angehörige.
Das BAMF hatte argumentiert, Anträge der Eltern nach § 26 Abs. 3, Abs. 5 AsylG müssten abgelehnt werden, wenn das Kind seine Anerkennung erst nach Eintritt der Volljährigkeit erhalten habe, denn dann fielen dessen Eltern nicht mehr in den privilegierten Personenkreis des Art. 2 j) der Richtlinie.
Der EuGH hat diese Deutung auf ganzer Linie zurückgewiesen. Es kommt auf den Umstand der Minderjährigkeit im Moment der formlosen Asylantragsstellung durch die Eltern an. Wenn also ein Elternteil eines 17-jährigen Kindes einen Monat vor dessen 18. Geburtstag um Asyl ersucht und der Antrag des Kindes seinerseits noch nicht beschieden wurde, rührt der spätere Umstand der Volljährigkeit nicht am Anspruch des Elternteils. Die Entscheidung begründet sich mit den Leitgedanken der Richtlinie. Diese soll ein einheitliches Schutzniveau und den Schutz der in der Grundrechtecharta (GRC) normierten Rechte gewährleisten. Insbesondere dient sie neben dem Kindeswohl dem Schutz des Familienlebens i. S. von Art. 7 GRC. Es kommt dabei nicht darauf an, ob ein solches praktisch gelebt wird. Dem EuGH zufolge wäre für die Mitgliedsstaaten im Falle des Zutreffens der Rechtsansicht des BAMF keinerlei Motivation mehr gegeben, rasch über die Anträge Minderjähriger zu entscheiden, was deren Kindeswohl zuwiderliefe und eine potentielle Familieneinheit vereiteln würde.